Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
ihr standen heißer Kaffee und Brandy. »Ich kann nicht glauben, dass du noch einmal zurückwillst«, sagte Tonino.
Er hatte sie zurück ans Ufer begleitet und in seine Werkstatt gebracht. Instinktiv hatte er begriffen, dass sie kein großes Theater um die Sache machen wollte, sondern Ruhe, Wärme und Privatsphäre brauchte.
Und er hatte sie mit Bemerkungen wie: »Ich habe es dir doch gleich gesagt« verschont. Gott sei Dank. Er hatte überhaupt nicht viel gesagt, aber er hatte sie aus seinen dunklen Augen eindringlich angesehen und sie umarmt und umsorgt.
»Woher wusstest du, dass ich in Schwierigkeiten war?«, hatte sie ihn gefragt, als sie wieder an Land waren und sie sich von ihrem Schrecken zu erholen begann.
»Ich habe gesehen, wie du hineingegangen bist.« Der Ausdruck auf seinem Gesicht war nicht zu deuten. »Du hast aufgeregt ausgesehen.«
Tess nickte. »Das war ich.« Sie erzählte ihm, dass sie Giovanni in der Villa angetroffen hatte.
Er schüttelte den Kopf und sagte etwas, was sie nicht verstand.
»Was ist, Tonino?«
»Diese Angelegenheit muss in Ordnung gebracht werden«, erklärte er. »Ein für alle Mal.«
Damit rannte er bei ihr offene Türen ein.
»Also, du fandest, dass ich aufgeregt aussah …«, hakte sie nach. Er hatte ihr schon zwei Brandys eingeflößt. Noch mehr, und sie würde ins Koma fallen.
Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe vierzig Minuten gewartet«, sagte er. »Ich habe mir Sorgen gemacht.«
Er hatte auf sie gewartet? Er hatte abgestoppt, wie lange sie im Wasser war, und er hatte sich Sorgen gemacht? War das nicht ein Indiz dafür, dass er Gefühle für sie hegte?
»Wahrscheinlich habe ich Glück gehabt«, sagte Tess vorsichtig, »dass du nach all dieser Zeit deine Tauchausrüstung zur Hand hattest.« Er lebte ja praktisch am Ufer, aber er musste innerhalb von Minuten eine Ausrüstung aufgetrieben haben, um sie so schnell zu erreichen …
Er wich ihrem Blick aus. »Ich habe in letzter Zeit schon öfter darüber nachgedacht, wieder zu tauchen«, sagte er. »Vielleicht ist es ja an der Zeit, die Vergangenheit endlich ruhen zu lassen.«
Halleluja, dachte Tess. Er war vielleicht nicht für seinen Freund da gewesen, obwohl die Sache nach dem, was er ihr erzählt hatte, nicht seine Schuld gewesen war. Aber sie hatte er jedenfalls gerettet. Ohne ihn … Aber er hatte davon gesprochen, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Hatte er da vom Tauchen geredet, oder hatte er an etwas Persönlicheres gedacht?
»Wusstest du von dieser Höhle?«, fragte sie ihn.
Tonino runzelte die Stirn. »Mein Großvater hat mir von dieser Höhle erzählt«, sagte er. »Er nannte sie die Grotta Azzurra .«
Wegen des Lichts, das auf das türkisblaue Wasser fiel, vermutete sie. Natürlich kannte seine Familie die Höhle. Sie war immer mit dem Meer verbunden gewesen. Speerfischen, Tunfischjagd … Auch Tonino hatte früher seinen Lebensunterhalt mit Tauchen bestritten.
»Aber ich wusste nicht, dass es noch einen Zugang gibt«, erklärte er.
»Den gab es auch nicht«, entgegnete sie. »Aber jetzt ist einer da.«
Natürlich begriff er sofort, was sie meinte. Er wusste, wie so etwas ging. Er nickte. »Das Erdbeben«, sagte er. »Ein Steinschlag.«
»Hmmm. Und das ist noch nicht alles.« Sie schilderte ihm, was sie in der Höhle gesehen hatte, erzählte von dem irdenen Topf und den Knochen.
Er war erstaunt, aber noch erstaunter war er, als sie erklärte, dass sie noch einmal zurück wollte.
»Warum willst du dich einmischen?«, fragte er. »Warum lässt du nicht alles, wie es ist?«
Er ist bemerkenswert begriffsstutzig, dachte Tess. Andererseits hatte sie mehr Zeit als er gehabt, über die Sache nachzudenken. Sie hatte es getan, während sie unter Wasser um ihr Leben gekämpft hatte. In solchen Situationen hat man oft eine Erleuchtung.
»Dein Großvater war doch Speerfischer, oder?« Sie nippte an ihrem Kaffee. Er schmeckte nach Karamell, Nüssen und Vanille.
Tonino zog eine Augenbraue hoch. »Und?«
»Er kannte also dieses Unterwasserrevier besser als jeder andere?«
Er verschränkte die Arme. »Ja?«
Musste sie es ihm vorbuchstabieren? »Mein Großvater hat ihn gebeten, den tesoro zu verstecken«, sagte sie. »Kannst du dir nicht vorstellen, warum?«
»Weil er sein bester Freund war?« Wieder zuckte er mit den Schultern. Dass er sich Mühe gab, konnte man wirklich nicht behaupten.
»Weil er wusste, wo man ihn verstecken könnte und wo er sicher sein würde. Und noch mehr, Tonino, er
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