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Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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zu tauchen und die Eindrücke zu teilen. Denn sie befanden sich zwar auf einer Mission, aber auf dem Weg zur Höhle war trotzdem viel zu sehen. Grau gestreifte Salpen, Fahnenbarsche und Brassen, ein Oktopus mit wirbelnden Tentakeln und eine witzige, kleine pulsierende Sepie, die aussah wie ein braun-weißer Hausschuh, der einen Rock trug. Der kleine Fisch brachte sie trotz allem zum Schmunzeln. Außerdem war das Wasser heute klarer; nach dem Sturm hatten sich Schlick und Sand wieder auf dem Meeresboden abgesetzt, sodass die Sicht gut war.
    Die Felswand war mit weißen, gelben und orangefarbenen Schwämmen bunt gesprenkelt, und die Stellen, die von Felsüberhängen beschattet wurden, hatten Gruppen von silbrig und schwarz gezackten Kardinalbarschen und Seeanemonen angezogen. Als sie die Felsspalte erreichten und das Loch, das den neuen Eingang zur Höhle bildete, zögerte Tess. Konnte sie dort wirklich noch einmal hinein?
    Tonino zögerte ebenfalls, als wüsste er um ihre Empfindungen.
    Los doch, Mädchen … Sie nickte, schwamm hinein und schob sich anschließend vorsichtig durch den Tunnel. Dabei erkannte sie sogar den grauen Felsbrocken, der sie gestern festgehalten hatte. Denk nicht darüber nach. Tonino war direkt hinter ihr, eine geschmeidige, schlanke Gestalt, die in ihrem Neoprenanzug mühelos durch das Wasser glitt.
    Gemeinsam kamen sie an die Wasseroberfläche und nahmen die Masken ab. Er leuchtete mit der Lampe umher und fluchte leise. Offensichtlich beeindruckte ihn die Größe der Höhle. Tess fand sie erneut wunderschön: der Kontrast zwischen den dunklen Felsen und dem türkisfarbenen Wasser und der schmale Sonnenstrahl, der hineinfiel. Grotta Azzurra .
    »Wo?«, fragte er.
    Sie leuchtete mit ihrer Lampe in die Richtung des Simses, auf dem sie es gesehen hatte. Einen Moment lang glaubte sie schon, das Gefäß und das Skelett seien verschwunden. Aber nein, da waren sie.
    Er nickte, hievte sich aus dem Wasser auf die glitschigen Felsbrocken und zog seine Flossen aus. Barfuß stieg er die Felswand bis zu dem Sims hinauf. Tess erhellte ihm mit ihrer Taschenlampe den Weg.
    Sie sah zu, wie er vorsichtig über die Knochen hinwegtrat. Herrgott! Sie war froh darüber, dass er offensichtlich nicht vorhatte, sie mit zurückzunehmen.
    Dann blieb er stehen und hob einen kleinen Gegenstand vom Boden auf. Er untersuchte ihn kurz und steckte ihn dann in die Tasche seines Taucheranzugs. Mit beiden Händen griff er nach dem irdenen Topf, der den Umfang eines großen Kürbisses hatte. »Er ist schwer«, rief er zu ihr hinunter.
    Die Worte hallten in der Höhle wider. Er ist schwer … schwer … schwer.
    Tonino hatte einen wasserdichten Beutel an seinem Bleigürtel befestigt. Er hakte die Tasche los, stellte den Topf hinein, hob die schwere Tasche hoch und kam schwungvollen Schrittes wieder hinunter.
    Tess zuckte zusammen. »Vorsichtig.« Aber er war behände und schien einen perfekten Gleichgewichtssinn zu besitzen.
    Er zog die Flossen wieder an, hängte die Tasche an seinen Gürtel und glitt zurück ins Wasser. » Andiamo . Lass uns verschwinden«, sagte er.
    Tess war sehr erleichtert darüber, dass sie nicht länger hierbleiben musste.
    Sie ließen sich von der Strömung von den Klippen weg in Richtung Strand tragen und paddelten dabei nur leicht mit Armen und Füßen. Schließlich zogen sie die Flossen aus und wateten ans Ufer.
    Triefend, aber triumphierend verließen sie an dem gemauerten Steg das Wasser. Tess zog ihre Atemmaske aus, Tonino tat das Gleiche und strahlte sie an.
    »Und jetzt«, erklärte er und klopfte auf den Beutel, der an seinem Gürtel hing, »wollen wir mal sehen.«
    Sie nickte. Sie konnte es kaum erwarten. Er sah sich am Strand um, und sie folgte seinem Blick. Aber alles war ruhig.
    »Komm.«
    Auch Tess hatte keine Lust, noch länger hier draußen zu bleiben. Sie nahm nicht einmal ihren Gürtel ab, sondern folgte ihm so, wie sie war. Die beiden stapften an dem alten Bootshaus mit seinen rostigen Ankern vorbei und gingen die Treppe zum baglio und zu der sicheren Werkstatt hoch. Obwohl sie sich dabei unauffällig verhielten, verließ sie das Gefühl, beobachtet zu werden, nicht ganz.
    Tonino schloss die Tür zum Atelier auf. Stille. Er öffnete seinen Gürtel, legte ihn zusammen mit der Tasche behutsam neben der Tür ab und nahm seine Sauerstoffflasche ab. Tess tat es ihm nach.
    Sie hatte keine Ahnung, was sie aufblicken ließ. War es ein kaum wahrnehmbares Geräusch oder das Gefühl, dass sie

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