Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
mich.« Was für ein komischer Kauz. Die Sorte, die einem begegnete, wenn man allein auf Partys ging – so wie sie. Wie lange noch würde sie die ungebundene Single-Frau auf Partys sein? Was war nur mit ihr verkehrt, um Himmels willen? Auch sie lud sich den Teller voll, mehr aus Gründen der Ablenkung als deshalb, weil sie hungrig gewesen wäre. Es war höchste Zeit, dass sie etwas dagegen unternahm.
»Sehr gerne«, sagte Mitch. »Das Problem ist nur, dass heute die Geburtstagsparty meiner Frau ist, daher bin ich leider nicht den ganzen Abend frei.« Er schwenkte eine Flasche, und Tess hielt ihm ihr Glas zum Nachfüllen hin.
»Was stimmt bloß nicht mit mir, Mitch?«, fragte sie. Das war noch so eine Sache: Heutzutage neigte sie dazu, auf Partys rührselig zu werden.
»Nichts, was ich sehen könnte.« Er tätschelte ihre Schulter.
War sie zu anspruchsvoll? Wollte sie etwas, was es gar nicht gab? Oder war sie in einem Teufelskreis gefangen, sodass sie erst die falsche Art von Mann anzog und es dann spätererst merkte? Wie bei Robin. Auch die Sache mit ihm hatte sie noch nicht ganz verarbeitet. Der Gedanke an Robin schwebte immer noch am Rand ihres Bewusstseins, als sei Tess sich nicht ganz sicher, was sie empfinden sollte. Aber eines wusste sie: In der Sekunde, als sie ihn mit seiner nicht so zerbrechlichen Helen gesehen hatte, war es vorbei gewesen. Wirklich vorbei. Sogar noch endgültiger, als es vorbei gewesen war, als es … vorbei war. Sie hatte es ihm nur noch nicht gesagt.
»Tolle Party«, sagte sie zu Mitch. »Wer sind all diese Leute?« Lisa hatte sie den ersten eintreffenden Gästen noch vorgestellt, und Ginny war auch eine Zeit lang hier gewesen, aber danach hatte die Party eine Eigendynamik entwickelt. Denn es kamen immer mehr Leute und stürzten sich ins Getümmel, in dessen Mittelpunkt Lisa als Gastgeberin und Geburtstagskind stand. Mitch hatte im Wohnzimmer das Büfett aufgebaut, und die Leute saßen auf Sofas und diversen Stühlen, oder sie wuselten mit Gläsern und Tellern voller Häppchen herum und betrieben Small Talk. Ginny war gegangen, um sich mit einem Freund zu treffen. Das war vorhersehbar gewesen.
»Ach, wer weiß?« Er zuckte mit den Schultern. »Freunde, Kollegen, Eltern der Freunde der Kinder, Verwandte, ein, zwei Nachbarn, du weißt schon.« Er zwinkerte ihr zu. »Glaubst du, es ist Zeit für den Kuchen?«
Tess erspähte Lisa auf der anderen Seite des Raums, wo sie mit dem Typ in den vierzigern sprach. Sie fing Tess’ Blick auf und gab ihr hektisch ein Zeichen. Es sah nach Hilfe! aus.
»Ja«, antwortete Tess. »Sobald wie möglich, würde ich sagen.«
Sie schob sich durch die Menge. In einem hatte der Kerl allerdings recht – vierzig war ein Meilenstein, und bald war Tess an der Reihe. Lisa hatte wenigstens Mitch und eine richtige Familie. Tess’ Leben dagegen war so ungeordnet. Kein Mann, kein Job, die Tochter kurz davor, in die große weite Welt hinauszuziehen, und dabei, sich mit jedem Tag, der verging, weiter von ihr weg zu entwickeln. Ach ja, und ein Haus in Sizilien. Sie grinste.
Als sie bei Lisa ankam, fasste Tess ihre Freundin am Arm und zog sie mit sich. »Bedaure, ich muss sie entführen«, erklärte sie. »Komm, Geburtstagskind.«
»Danke«, hauchte Lisa, die in einem einfachen, tief ausgeschnittenen schwarzen Minikleid und dem Weißgoldschmuck, den ihr Mann ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, einfach umwerfend aussah.
»Gern geschehen.«
Und dann trat Mitch durch die Tür, gefolgt von den Kindern, die zusammen den Kuchen trugen: ein Schokoladenkuchen mit glasiertem Guss, weißen Schokolinsen und jeder Menge silberner Kerzen. Tess, Ginny und die Kinder hatten ihn gestern Abend zusammen bei Tess gebacken, jedenfalls bis Ginny gegangen war, um sich mit einem Freund zu treffen (wer waren eigentlich diese ganzen Freunde?). Unterdessen hatte Mitch Lisa zu einem romantischen Geburtstagsessen ausgeführt.
»Oh!«, rief Lisa und schlug überrascht die Hand vor den Mund. »Wie habt ihr das denn bloß gemacht?«
Und dann spielte einer der jungen Burschen auf seiner Gitarre »Happy Birthday«, und alle sangen. Mitch holte noch mehr Sekt und füllte jede Menge Gläser, Trinksprüche wurden ausgebracht, und Lisa schnitt den Kuchen an und wünschte sich etwas …
Tess lachte, applaudierte und sang mit den anderen. Sie schaute sich unter den fröhlichen Gesichtern um und tanzte, zuerst mit Lisa, dann mit den Kindern, dann mit Mitch und schließlich sogar mit dem Mann in
Weitere Kostenlose Bücher