Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
Gespräch mit einem ihrer Kinder führte. Ich habe dir doch gesagt, dass es in der Abstellkammer unter der Treppe ist …
»Noch nicht.« Tess beschloss, dass sie einen ordentlichen Drink brauchte. Und dann vielleicht noch einen.
»Wovor hast du Angst, Tess?«
Gute Frage. Wovor hatte sie Angst? Dass Robin sie umstimmen würde? Dass er sie auch diesmal wieder überreden würde, sich weiter mit ihm zu treffen, sie glauben machte, dass sich alles ändern würde, dass er Helen verlassen würde, dass Schweine vielleicht Tauchen lernen konnten … »Das mache ich schon noch«, versprach sie. Lisa hatte recht. Tess musste diese Sache endlich zu einem richtigen Ende bringen. Sonst kam sie nicht weiter.
»Sehr gut.« Lisa klang erfreut. »Braves Mädchen.«
Um sieben Uhr ließ Tess ihre Tochter allein mit der neuesten Boygroup aus der Talentshow X Factor , die Ginny auf volle Lautstärke aufgedreht hatte, stieg in ihren Fiat und fuhr auf die andere Seite der Stadt, wo Robin wohnte. Sie hatte das schon mehrmals getan, seit sie zusammen waren. Glücklicherweise hatte er sie nie bemerkt, jedenfalls nahm sie das an. Auch sie hatte ihn dort noch nie zu Gesicht bekommen. Sie wusste nicht einmal, warum sie das tat. Um einen Blick auf sein anderes Leben zu erhaschen vielleicht? Weil sie es konnte? Oder um sie zu sehen, die empfindsame Helen, die so gehätschelt und beschützt werden musste, wie Tess nie gehätschelt und beschützt worden war?
Sie wollte doch auch gar nicht in Watte gepackt werden, rief sie sich ins Gedächtnis, blinkte rechts und wartete auf eine Lücke im Verkehr. Aber es wäre nett gewesen, wenn es jemand wenigstens einmal versucht hätte.
Tess bog in seine Straße ein. Wahrscheinlich kaufte Robin seine Sonntagszeitung in dem Kiosk an der Ecke. Vielleicht war sie nicht die Art Frau, die bei Männern den Beschützerinstinkt weckte? Sie schaltete in den dritten Gang, fuhr aber weiter langsam. Schließlich hatte sie ihr Kind allein zur Welt gebracht und großgezogen. Lippenstift kam bei ihr nur selten zum Einsatz, und ihre Lieblingskleidung waren Jeans und ein verwaschenes T-Shirt, obwohl sie sich sicher war, dass sie sich genauso gut herausputzen konnte wie jede andere Frau, und sogar Ginny fand, dass sie tolle Beine hatte. Außerdem wusste sie ihre Unabhängigkeit zu schätzen. Da brauchte sie doch niemanden, der sie verwöhnte und beschützte, oder?
Als sie Robin sah, erschrak sie so, dass sie fast die Kontrolle über den Wagen verlor. Robin schlenderte den Gehweg entlang und wirkte, als fühle er sich hier vollkommen zu Hause. Nun ja, er wohnte schließlich hier. Neben ihm ging eine Frau.
Tess krampfte die Hände fester um das Steuer. Was immer sie tat, sie durfte keine Aufmerksamkeit erregen. Die Frau war groß, blond und gertenschlank und wirkte genauso schutzbedürftig wie ein Nilpferd. Nicht, dass sie ausgesehen hätte wie ein Nilpferd, leider nicht. Sie war attraktiv und elegant gekleidet, sie lächelte, und sie musste Helen sein.
Tess fuhr so langsam, wie es möglich war, ohne aufzufallen. Robin hatte den Arm um die Taille der gar nicht zerbrechlich wirkenden Helen gelegt, als sei er ganz zufrieden damit, dass er da war, wo er war. Und gerade als sie die beiden passierte – mit zusammengebissenen Zähnen und unter Ausblendung jedes bewussten Gedankens (du kannst das, Mädchen) , sah sie mit einem schnellen Seitenblick, dass er lachte. Lachte! Er war glücklich; sie waren beide glücklich, wurde Tess klar. Wie konnte er es wagen, so glücklich zu sein? Sie fühlte sich durch den Schock wie betäubt. Aber wenn er so glücklich mit seiner Frau war, dann … Warum?
25. Kapitel
D as ist ein ziemlicher Meilenstein, finden Sie nicht auch?« Tess drehte sich um, um festzustellen, wer sie angesprochen hatte. Männlich, in den Vierzigern, blond, rotgesichtig, schlecht rasiert, kleiner als Tess, übergewichtig, Biertrinker. Das alles registrierte sie, bevor sie überhaupt antwortete.
»Die vierzig?«, gab sie zurück. »Ja, ich schätze schon.«
»Nicht, dass Sie das wissen könnten.« Mit deutlichem Wohlgefallen musterte er sie von oben bis unten. »Sie sind ganz klar noch keine vierzig.«
Er allerdings schon, ganz klar. Tess gab ihrem Lächeln eine unverbindliche Note. »Entschuldigen Sie mich.« Sie steuerte auf das Büfett zu.
Mitch war dabei, seinen Teller mit Huhn, Pommes frites und Krautsalat zu beladen. »Ich dachte schon, du hättest dein Glück gefunden, Tessie«, witzelte er.
»Rette
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