Ein Vollidiot kommt selten allein! - Rick ; Bd. 4
verpasst
hatte. Ich musste ihn retten. Jetzt sofort!
Ich holte tief Luft und glitt mit ausgestreckten Armen
voran in das Loch hinein.
Vor lauter Schreck war ich zunächst wie gelähmt. Es war saukalt! Ich wollte vor Schmerz schreien, aber da hatte
ich den Mund schon voll mit Wasser. Ich riss die Augen
auf. Dunkelheit. Hier unten war nichts als stockfinstere
Schwärze. Panisch tastete ich im Wasser herum. Es war so
entsetzlich kalt. Mir wurde ganz schwindelig, und ich befürchtete,
dass ich jeden Moment die Besinnung verlieren
würde.
In meinen Ohren rauschte es und Luft hatte ich auch
keine mehr in den Lungen, doch ich wollte nicht aufgeben.
Ich musste Gismo retten. Das MUSSTE ich!
Dann krachte das Eis unter meinen Beinen weg und in
der nächsten Sekunde lag ich der Länge nach im Wasser.
Keine Ahnung, warum, aber ich war so geschockt, dass
ich mich nicht mehr rühren konnte. Ich hätte mich einfach
nur auf meine Beine stellen müssen, denn das Wasser
war wirklich nicht tief – doch ich konnte es nicht. Mein
Körper wollte mir nicht gehorchen. Und so versank ich in
gestreckter Bauchlage immer tiefer im eisigen Wasser und
dachte: Das ist mein Ende.
Plötzlich musste ich an Pa denken und an Mary und Wutz
und auch an Linda und Finn. Bestimmt waren sie traurig,
wenn ich jetzt hier einfach untergluckerte.
Dann verirrten sich meine Gedanken zu meiner Mutter
und mit einem Mal breitete sich so ein kribbelig warmes
Glücksgefühl in meinem Frostkörper aus.
Bald werde ich sie kennenlernen, dachte ich. Endlich
werde ich meine Mutter treffen. Ja, das war haargenau
das, was ich dachte.
Um mich drehte sich alles, und in meiner Brust stach es,
als ob tausend kleine Nadeln auf mich abgefeuert wurden.
Trotz des Wassers spürte ich Tränen in meinen Augen
brennen. Ich schluchzte, schluckte Wasser. Das Schwindelgefühl
breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Ich
hatte Angst. Schreckliche Angst. Ich würde einfach im
kleinen Maschteich ertrinken. Zusammen mit Gismo. Wir
beide würden unter Wasser am Eis festfrieren. Pa und
Wutz konnten einen ganzen Sondertrupp nach uns suchen
lassen, aber bevor das Eis wieder taute, würde uns keiner
finden – und dann war es zu spät. Viel zu spät. Rick
Michalski und Pupskater Gismo würde es dann nicht mehr
geben. Keiner müsste sich mehr über den frechen Rick aufregen
oder grün im Gesicht werden, weil Gismo einen seiner
fiesen Katzenfürze losgelassen hatte.
Vielleicht würden sie uns nicht einmal vermissen …
Ich fühlte mich bleischwer und in meinem Kopf war
plötzlich so ein komisches Wattegefühl. Ein paar Bilder,
die vorbeizogen. Alles ganz diffus und irgendwie im Zeitlupentempo:
Chrissy und ich am Pferdeturm, ganz klein
noch, er mit Zahnlücke, ich mit Rotznase. Dann Pa und
Wutz, wie sie mir die aufgeschlagenen Knie verarzten, Pa
das linke, Wutz das rechte. Mary mit einem riesigen Berg
Kartoffelpuffer. Sie lächelt mich an, zwinkert mir zu, hinter
ihr strahlt Wutz wie ein Honigkuchenpferd. Pa, wie er
mir durchs Haar wuschelt …
Das Letzte, was ich dachte, war, dass ich Pa noch unbedingt
sagen wollte, dass ich ihn lieb habe. Und dass er der beste Vater der Welt ist. Das hatte ich ihm schon lange
nicht mehr gesagt. So wahnsinnig lange nicht …
Dann rammte irgendetwas Großes gegen meinen Kopf
und auf einmal war da nur noch Leere.
»Rick! Rick! Sag doch was!«
Die Stimme meiner Mutter hörte sich irgendwie nach
Lindas an. Komisch, ich hatte mir oft darüber Gedanken
gemacht, wie meine Mutter sich wohl angehört hatte, aber
darauf wäre ich nie gekommen.
Meine Mutter strich mir über den Kopf, das Gesicht und
dann spürte ich ihre Lippen auf meiner Wange. Sie weinte.
Bestimmt vor Glück, weil wir uns endlich trafen. Weil sie
nach fast zwölf Jahren ihren Sohn in den Arm nehmen
konnte.
Ich hatte mir ja schon mal ausgemalt, wie es oben im
Himmel bei meiner Mutter war. Aber so real, ich meine,
dass ich ihre Umarmung regelrecht spüren konnte, damit
hatte ich nicht gerechnet.
»Mach doch bitte die Augen auf. Bitte, Rick! Ich werde
auch nie wieder Klugscheißer zu dir sagen.«
Komisch, das war eindeutig Finns Stimme. Was machte
der denn hier oben?
Das war ja total verrückt.
Blinzelnd öffnete ich die Lider und erblickte ein Paar
blaue Augen, Sommersprossen und ein unendlich erleichtertes
Lächeln.
»Rick, Gott sei Dank, du lebst …«, schluchzte sie.
»Mama?«, krächzte ich. Es war komisch, Mama zu sagen,
weil ich noch nie jemanden so genannt hatte.
Sie strich
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