Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
geschriebene Wort«, warf Jarret ein. »Es ist, als prägten sich ihm solche Dinge unauslöschlich ein. Dank dieser Fähigkeit hat er die Schule geschafft, obwohl er die meiste Zeit mit Ausschweifungen verbracht hat – er kann sich an jede einzelne Zeile erinnern, die er jemals gelesen hat.«
»Wie es scheint, hat Giles eine ganze Reihe von interessanten Fähigkeiten«, bemerkte Minerva.
Giles lächelte sie an. »Das sage ich dir doch die ganze Zeit, aber du willst mir ja nicht glauben.«
Stoneville studierte die Zeichnung. »Falls das hier tatsächlich mein Gut ist, dann zeigt die Karte, wie es vor Jahrzehnten aussah, noch bevor Desmond geboren wurde. Die Jagdhütte, die Vater gebaut hat, und die Gärten auf der Ostseite, die der vierte Marquess anlegen ließ, sind nicht darauf eingezeichnet. Eine solche Karte hätte heute für niemanden mehr einen praktischen Nutzen.«
»Und wenn er hier herumschleichen würde, hätten wir es gewiss schon bemerkt«, sagte Minerva.
»Nicht unbedingt«, entgegnete Stoneville. »Wir wohnen erst seit Kurzem wieder hier. Und das verdammte Gut ist riesig. Das war schon immer das Problem. Es ist einfach viel zu groß.«
»Aber was treibt ihn um?«, fragte Jarret. »Und warum ist er nach so vielen Jahren in den letzten Monaten wieder in Turnham aufgetaucht?«
»Ich weiß es nicht.« Stoneville legte die Karte zur Seite. »Vielleicht kann Pinter es herausfinden.«
»Oh ja, du musst Mr Pinter darauf ansetzen!«, sagte Minerva begeistert. »Er ist ein intelligenter Mann und versteht sein Handwerk.«
Giles runzelte die Stirn. Pinter war außerdem ein
gut aussehender
Mann und in Minervas Alter. Und er war der Typ von Mann, den Minerva zu bevorzugen behauptete; ehrenhaft und aufrichtig.
Zur Hölle mit ihm! »Ich werde sehen, was ich beim Amt herausfinden kann«, sagte Giles. »Vielleicht können uns alte Unterlagen Aufschluss darüber geben, ob es wirklich das Gut ist, was auf Desmonds Karte verzeichnet ist.«
»Darum kann Pinter sich kümmern«, sagte Stoneville.
»Ich tue es gern.«
Stonevilles Miene versteinerte sich. »Mir wäre trotzdem lieber, wenn Pinter es macht.«
Nun dämmerte es Giles. »Du vertraust mir nicht.«
»Versteh mich nicht falsch – ich hatte nichts dagegen, dass Jarret dich in rechtlicher Hinsicht zurate zieht, doch die Frage, was unseren Eltern tatsächlich widerfahren ist, ist … privaterer Natur. Eine Familienangelegenheit. Das geht dich nichts an.«
»Aber Pinter willst du in diese private Familienangelegenheit einbeziehen, ja?«, erwiderte er aufgebracht.
»Er ist diskret.«
»Ah. Und ich bin es deiner Meinung nach nicht.« Giles stand auf. Wenn er nicht auf der Stelle den Raum verließ, ließ er sich noch zu Äußerungen hinreißen, die er später bereuen würde. »Vielen Dank für diesen Vertrauensbeweis.«
Minerva erhob sich ebenfalls. »Ich begleite dich hinaus.«
»Nein«, sagte Jarret bestimmt. »
Ich
begleite ihn hinaus. Wir haben noch etwas zu besprechen.«
Großartig. Stoneville behandelte ihn, als wäre er ein geschwätziger Schwachkopf, und nun wollte Jarret ihn auch noch zusammenstauchen. Die Sharpe-Brüder strapazierten seine Geduld wirklich bis aufs Äußerste.
Auf dem Weg zur Tür drückte er Minerva die Hand. »Wir sehen uns dann morgen früh«, sagte er.
»Ich freue mich schon darauf.«
»Freu dich besser nicht zu früh!«, bemerkte Stoneville.
»Ach, halt den Mund, Oliver!«, fuhr sie ihn an. »Hast du nicht schon genug gesagt? Ich gehe, wohin ich will, ob es dir passt oder nicht!«
Und sie würde sich wohl auch durchsetzen. Das war ein Punkt zu seinen Gunsten: Minerva verstand sich sehr gut darauf, ihren idiotischen Bruder so lange zu bedrängen, bis er schließlich einknickte. Sie würde sich niemals von ihm um die Gelegenheit bringen lassen, einen echten Mordprozess zu verfolgen. Genau deshalb hatte Giles den morgigen Tag für ihren Besuch im Gericht ausgesucht.
Sobald sie außer Hörweite waren, bemerkte Jarret: »Ich habe eine Frage an dich, auf die ich eine ehrliche Antwort erwarte. Was hast du damit gemeint, als du gestern gesagt hast, zwischen dir und Minerva sei mehr, als es den Anschein hat?«
»Noch einmal: Das müsst ihr sie fragen.«
»Wir haben sie gefragt. Sie hat etwas davon gesagt, dass ihr ein Mal zusammen getanzt habt. Aber das hast du nicht gemeint, nicht wahr?«
Giles ging schweigend weiter.
»Hör mal, alter Knabe, du kannst es mir doch erzählen. Ich dachte, wir wären Freunde.«
In diesem
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