Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
Moment kochte Giles über vor Zorn und blieb stehen, um Jarret grimmig anzustarren. »Das habe ich auch gedacht!«
Obwohl Jarret fünf Jahre jünger war als er und Stoneville nur zwei, stand Giles dem jüngeren Sharpe-Bruder näher. Stoneville hatte schon immer eine düsterere Weltanschauung gehabt als er, und Jarrets Sicht der Dinge war eher pragmatisch wie seine. Giles hatte angenommen, Jarret würde ihn verstehen.
Bis jetzt. »Ich dachte, du kennst mich gut genug, um mir in Bezug auf eure Schwester zu vertrauen. Und ich dachte, dein Bruder kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich diskret bin. Allem Anschein nach habe ich mich in beiderlei Hinsicht getäuscht.«
Jarret hatte zumindest den Anstand, schuldbewusst dreinzublicken. »Oliver war schon immer verdammt verschwiegen, ein richtiger Geheimniskrämer, das weißt du. Und ich habe schon zu oft gesehen, wie du mit Frauen herummachst …«
»Dabei habe ich dich auch oft beobachtet«, unterbrach Giles ihn barsch. »Und bedeutet das etwa, dass du deiner Frau nicht treu bist? Dass man sich nicht darauf verlassen kann, dass du sie gut behandelst?«
»Natürlich nicht«, antwortete Jarret mit einem unmutigen Gesichtsausdruck. »Aber bei mir liegt der Fall anders als bei dir.«
»Inwiefern?«
Jarret fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und wandte den Blick ab, bevor er leise sagte: »Ich bin nicht zu Vermögen gekommen, indem ich Annabel geheiratet habe.«
»Nein, doch wie ich hörte, hat das Familienunternehmen deiner Frau eine Rolle dabei gespielt, dass die Brauerei Plumtree wieder floriert. Und du hast die Gunst eurer Großmutter gewonnen. Das sind handfeste Vorteile. Hast du Annabel vielleicht deshalb geheiratet?«
»Ganz und gar nicht!«
Giles machte eine bedeutungsvolle Pause, dann erklärte er: »Ich heirate Minerva nicht des Geldes wegen, das sage ich jetzt zum letzten Mal. Und ihr könnt mir glauben oder auch nicht, doch ihr habt euch nicht in ihre Angelegenheiten einzumischen. Sie ist mündig. Wenn wir wollen, können wir jederzeit heiraten.« Damit marschierte er wutschnaubend davon.
»Wir könnten dir helfen«, rief Jarret ihm nach.
Giles blieb stehen.
»Meine Brüder und ich.« Jarret kam hinter ihm her. »Wir könnten aufhören, gegen dich zu opponieren, dir Luft zum Atmen lassen und es dir leichter machen, sie zu umwerben.«
Er lachte spöttisch auf. »Darauf lassen sich die anderen nicht ein. Du weißt verdammt gut, dass Oliver dem nicht zustimmen würde.«
»Ich werde dafür sorgen, dass sie dich unterstützen, das schwöre ich dir.« Jarret sah ihn durchdringend an. »Aber zuerst muss ich wissen, was zwischen dir und Minerva ist.«
Giles überlegte, was er antworten sollte. Von der Sache mit ihren Romanen wollte er Jarret nichts erzählen – es hätte nur zur Folge, dass der Knabe sich für Dinge interessierte, von denen er besser nichts erfuhr. Aber eines konnte er ihm sagen, obwohl es Jarret möglicherweise noch mehr gegen ihn aufbrachte.
Dennoch, es war das Risiko wert. Es war schwierig, Minerva den Hof zu machen, wenn sie ihre Brüder weiterhin provozierte und sie sich auch jedes Mal aufs Neue von ihr provozieren ließen.
»Vor neun Jahren habe ich Minerva geküsst.«
Jarret starrte ihn verblüfft an. »Was?«
»Ich habe eure Schwester geküsst.«
»Du hast sie
geküsst?
«
»Das sagte ich gerade.«
»
Minerva?
Unsere Minerva?«
»Genau die«, entgegnete Giles gereizt.
Zu seiner Überraschung brach Jarret in Gelächter aus. »Also, das ist einfach zu köstlich! Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie es abgelaufen ist. Du hast Minerva geküsst, und sie hat dir eine Ohrfeige verpasst, dass dir Hören und Sehen verging.«
»Nein, es war ganz anders.«
Jarrets Belustigung schwand. »Anders? Was soll das heißen?«
»Sie hat mich gebeten, sie zu küssen, also habe ich es getan. Dann hat sie völlig verzückt zu mir aufgesehen, und ich bin in Panik geraten. Ich habe eine ziemlich bissige Bemerkung gemacht, die sie … nicht gut aufgenommen hat.«
»Natürlich nicht.« Jarret blickte den Korridor hinunter. »Das erklärt immerhin die Art und Weise, wie sie über dich redet.«
»Wie redet sie denn über mich?«
»Nun, mit sehr viel Ungestüm. Jedenfalls war es bis zu dem Tag so, als du begonnen hast, ihr den Hof zu machen.« Jarret wandte sich ihm wieder zu und sah ihn neugierig an. »Warum lässt sie sich von dir umwerben, wenn eure letzte Begegnung so ein unschönes Ende genommen hat?«
»Selbstverständlich, um eure
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