Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
wünschte bloß, ich wüsste, wie Sie das hinbekommen haben.«
»Ach«, meint Guy und macht eine wegwerfende Handbewegung, »das ist einfach natürliches kreatives Flair, wissen Sie? Man könnte wohl sagen, es ist eine Gabe.«
Ich muss grinsen. Eine Gabe. Ja, genau. Es war eine Gabe. Mein Weihnachtsgeschenk an Rupert – und Guy.
»Aber es muss Ihnen doch jemand geholfen haben«, hakt Rupert nach. »Ich meine, wenn man sich hier so umschaut, sieht man doch auf den ersten Blick, dass hier jemand mit einem echten Händchen für Vintage-Mode die Finger im Spiel gehabt haben muss. Jemand, der jeden Tag mit Mode zu tun hat, Sie wissen schon, jemand wie Carly? Ich meine, immerhin ist sie die Modeexpertin unseres Hauses.«
»Oh, ähm, na ja, natürlich hat sie mir geholfen«, stammelt Guy, offensichtlich bemüht, möglichst wenig von den ergatterten Lorbeeren abgeben zu müssen, ohne Carlys Zorn auf sich zu ziehen. Und da er keine Ahnung hat, wer für die Neugestaltung seiner Abteilung verantwortlich ist, könnte es genauso gut auch Carly gewesen sein. »Hat sie irgendwas gesagt?«
Rupert schüttelt den Kopf. »Ich glaube, sie ist einfach zu bescheiden.«
»Na ja«, sagt Guy, richtet sich kerzengerade auf und zieht an einem seiner Hosenträger, »ich hätte es auch ohne sie geschafft. Wir, ähm, sind wir ein tolles Team. Ihr Stil, meine Vision, gemeinsam wir sind einfach unschlagbar!«
»Wenn Sie weiterhin so gut verkaufen, sind Sie das wirklich, Guy«, sagt Rupert lachend. »Ich kann es kaum erwarten, dem Vorstand Ihre Verkaufszahlen vorzulegen. Weiter so!« Und damit dreht er sich um und geht und macht sich unterdessen Notizen auf sein Klemmbrett, während er am Fuß der Treppe an mir vorbeigeht.
»Guten Tag, Mr. Hardy«, sage ich schüchtern, aber er ist so in sein Gekritzel vertieft, dass er mich gar nicht hört.
Lilys Teesalon ist gut besucht, als ich dort ankomme. Tassen klappern, die Kuchenplatten sind leer, und Lily überschaut von ihrem Platz hinter der Theke fröhlich ihr kleines Reich.
»Evie, Darling! Ich habe mich schon gefragt, wo du heute Morgen steckst. Ich dachte, nach dem gestrigen Abend hättest du es vielleicht nicht zur Arbeit geschafft!«
»Ich habe es gerade so geschafft«, entgegne ich und verziehe das Gesicht. »Ich konnte nur vorher nicht weg, weil ich alle Hände voll zu tun hatte.«
Und plötzlich wünschte ich, ich hätte Lilys guten Rat befolgt, nach zwei Drinks aufzuhören. An ihrem dritten hat sie nur genippt, um mit uns allen anzustoßen, sich dann aber strikt geweigert, weiterzutrinken. Weshalb ich mich dann schließlich erbarmt und ihn ausgetrunken habe. Und nun sieht sie frisch aus wie das blühende Leben, und ich fühle mich wie irgendwas, das Rupert mit viel Glück seinen Schweinen zum Fraß vorwerfen würde.
»Ich weiß, es ist fabelhaft, nicht wahr?«, ruft Lily begeistert, und ihre blauen Augen funkeln wie ein sonnenbeschienenes Meer. »Obwohl ich schon sagen muss, ich könnte glatt eine Aushilfe gebrauchen. Meine Beine sind auch nicht mehr, was sie mal waren, und die Kunden haben mir heute Morgen wirklich Beine gemacht. Aber zum Glück habe ich Iris angerufen, die gleich zugesagt hat, herzukommen und mir ein bisschen zu helfen.«
Ich sehe, wie Iris einem Pärchen in der Ecke Tee und in winzig kleine Dreiecke geschnittene Sandwichs serviert. Sie trägt eine Schürze mit Siebziger-Jahre-Retro-Druck über einem senffarbenen Poloshirt, Chinos in Creme und einen Fedora mit großer, labbriger Krempe.
»Bestimmt ist sie eine wunderbare Hilfe«, meine ich lächelnd.
»Ist sie in der Tat«, antwortet Lily. »Wir sind ein tolles Team. Ich muss schon sagen, es ist wirklich schön, sie hier zu haben, und die vielen Kunden erst! Gestern Abend ist mir erst richtigaufgegangen, wie einsam ich doch geworden bin: den ganzen Tag im leeren Salon und abends allein in meiner kleinen Wohnung. Das ist einfach kein Leben für Lily Carmichael. Ich bin gern unter Menschen, Darling. Das war immer schon so, und das wird auch immer so sein!« Sie unterbricht sich und nimmt meine Hände in ihre. »Der gestrige Abend hat mir so viel Freude bereitet. Und ich freue mich sehr, dass Sam vorgeschlagen hat, wir sollen uns ab jetzt jede Woche treffen. So habe ich die ganze Woche etwas, worauf ich mich freuen kann. Du hast ja keine Ahnung, wie einsam ich war …«
»Ach, ich glaube doch«, murmele ich und schaue sie dann an. »Du bist nicht die Einzige, die in letzter Zeit kaum unter Leute gekommen ist,
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