Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
stundenlang über sich reden will, ist es gut genug, aber wenn sie hier arbeiten soll, nicht?
»Tut mir leid, dass es für dich so eine Zumutung ist«, sage ich, ohne mir etwas anmerken zu lassen. »Mir gefällt’s. Allerdings bleibt mir wohl auch nichts anderes übrig, wo ich doch täglich acht Stunden hier drin arbeite.«
»Manche Leute sind für so eine Arbeit eben besser geeignet als andere«, entgegnet Carly spitz und inspiziert ihre Fingernägel.
Ich beiße die Zähne zusammen. »Tja, in einer halben Stunde bin ich jedenfalls wieder da. Soll ich dir erklären, wie das hier läuft?«
»Dazu braucht man ja wohl kein Genie zu sein, oder?«, tut sie mein Angebot höhnisch ab. »Nein, ich komme schon zurecht. Geh, mach Pause. Ach, und könntest du mir auf dem Rückweg einen Tee mitbringen?«
Ich mache schon den Mund auf, um ihr zu sagen, dass sie sich den auch selbst machen kann, aber dann klappe ich ihn wieder zu. Sie hat es sich schon auf dem Sofa bequem gemacht und eine Zeitschrift aus der Handtasche gezogen, in der sie herumblättert, als habe sie völlig vergessen, dass ich noch da bin. Ich drehe mich auf dem Absatz um und gehe schnurstracks aus dem Lager, wobei ich mir Mühe gebe, mir meinen Ärger nicht anmerken zu lassen.
Zielstrebig marschiere ich durch die Kosmetikabteilung und steuere auf die Haupttreppe zu, und meine Laune hebt sich bereits merklich. Gwen und Jenny bieten Parfumflakons an und nehmen Iris’ Seife aus der Auslage, die sie strahlenden Kundinnen überreichen.
Urplötzlich sehe ich eine vertraute Gestalt auf mich zukommen. Es ist Jane, die ihren neuen Look zur Schau trägt wie ein Supermodel. Sie hat sogar den kleinen schwarzen Hut mit dem Netzschleier aufgesetzt, den ich ihr als kleines i-Tüpfelchen für ihre Aufmachung mitgegeben habe und von dem sie behauptet hatte, sie würde ihn auf keinen Fall tragen, weil sie nicht wolle, dass die Leute sie anstarrten. Jetzt drehen sich sowohl Kunden als auch Kollegen (Männer wie Frauen gleichermaßen) bewundernd nach ihr um und schauen ihr hinterher, als sie an ihnen vorbeischwebt. Man erkennt sie kaum wieder. Ich winke, aber sie sieht mich nicht.
»Wenn Sharon fragen sollte, sag ihr, ich hole mir nur schnell ein Sandwich«, sagt sie zu Becky, die auch heute wieder in der Kosmetikabteilung aushilft. »Ich habe so viel um die Ohren, dass ich keine Zeit habe für eine Mittagspause, also habe ich Elaine gebeten, kurz für mich einzuspringen, damit ich mir was zu essen holen kann. Ich bin in zehn Minuten wieder da«, ruft sie über die Schulter zurück. Ich muss grinsen, als ich die Treppe hinunterlaufe. Wer hätte gedacht, dass unter Janes sackartigen Klamotten so eine Sirene steckte?
Am Fuß der Treppe angekommen sehe ich, dass Rupert auf seinem täglichen Rundgang gerade in der Herrenoberbekleidung ist. Er unterhält sich mit Guy, und sein rundliches, wettergegerbtes Gesicht strahlt noch mehr als sonst, während er lebhaft mit den Armen gestikuliert. Ich schleiche mich etwas näher heran, in der Hoffnung zu verstehen, was sie sagen.
»Was Ihnen mit dieser Abteilung gelungen ist, ist einfach unglaublich, Guy, einfach unglaublich!«, ruft Rupert begeistert. Ein warmes, freudiges Gefühl durchrieselt mich bei diesem indirekten Kompliment. Eigenlob stinkt zwar, aber es erinnert tatsächlich nichts mehr daran, wie es hier noch vor einer Woche ausgesehen hat. Die Abteilung brummt; die Auslagen sind ansprechend und elegant. Ich habe sogar läuten hören, gestern sei ein Popstar mit seinem Stylisten hier gewesen und habe drei komplette Outfits geradewegs von den Schaufensterpuppen weg gekauft, angeblich für den Dreh seines neuen Videos. Guy war ganz aus dem Häuschen. Dieser Typ soll der nächste große Star in der Musikszene werden. Alle im Laden reden darüber.
Schnell schicke ich Sam eine MMS mit einem Foto der vor Kunden wuselnden Abteilung. Im Pub hat er mehrfach betont, wie schade er es findet, noch keine der neu gestalteten Abteilungen mit eigenen Augen gesehen zu haben. Ich habe ihm versprochen, ihn herumzuführen, wenn er die nächste Lieferung bringt, aber bis dahin schicke ich ihm einfach gelegentlich Nachrichten, um ihn auf dem Laufenden zu halten.
»Oh, danke, Rupe. Ja, das ist schon ganz famos, nicht wahr?«, meint Guy mit seinem üblichen Mangel an Bescheidenheit. »Dahinter steckt eine Menge harter Arbeit, aber es hat sich gelohnt.«
»Das kann man wohl sagen«, meint Rupert und klopft Guy anerkennend auf den Rücken. »Ich
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