Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
tolle Bilderstrecke abgeben – und das –«, er zieht ein Foto heraus, auf dem ich mit dem Rücken zur Kamera stehe, in tiefster Dunkelheit vor dem hell erleuchteten Laden, in dem verschwommene Gestalten herumhuschen, »wäre ein großartiges Actionfoto.«
»Die sind –«, setze ich an.
»WUNDERBAR!«, kreischt Velna verzückt.
»Sehr schöne Fotos, Sam«, erklärt Lily über die Bilder gebeugt.
»Einfach genial«, konstatiert Felix stolz.
»Das kann ich so unterschreiben«, sage ich und lächele Sam an, wobei ich vor Aufregung und leise aufkeimender Hoffnung ein Kribbeln im Bauch habe. »Aber meinst du wirklich, die Zeitungen bringen das?«
»Ich wüsste nicht, warum nicht«, meint Sam achselzuckend und fährt sich mit den Fingern durch die bereits verstrubbelten Haare. »Ich meine, die ansässigen Lokalzeitungen lieben rührende, aus dem Leben gegriffene Alltagsgeschichten, und der entscheidende Schuss Dramatik ist durch die drohend bevorstehende Schließung von Hardy’s auch dabei. Und dann hat es ja auch noch was Weihnachtliches, weil ihr alle die heimlichen Weihnachtswichtel des Hauses seid. Aber wir werden ja sehen. Drückt mir die Daumen, Leute!«, ruft er, nimmt die Bilder wieder an sich und reckt die geballte Faust.
»Viel Glück!« Spontan umarme ich Sam, und ein unwillkommenes begehrliches Zittern fährt mir durch den Körper, als ich fühle, wie er die Hand sacht auf meinen Rücken legt.
Alle jubeln, Jan Baptysta pfeift durch die Zähne, und plötzlich sehr verlegen und verwirrt löse ich mich von ihm. Sam ist doch bloß ein Freund, immer schon gewesen. Mehr war da nie zwischen uns. Wie im Flug ziehen unvermittelt Szenen unserer Freundschaft an meinem inneren Auge vorbei: wie Sam und ich beim frühmorgendlichen Frühstück über unsere lang gehegten Träume reden; die lustigen SMS, die er mir immer schreibt, wenn er seine Lieferungen ausfährt und die mir helfen, die langen einsamen Tage im Warenlager zu überstehen; wie meine Laune sich immer schlagartig hebt, wenn sein strahlendes Gesicht hinter der Tür zum Lagerraum auftaucht. Das Bild, das sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat, wie er mit einer anderen Frau die Straße entlanggeht; den Stich, den es mir aus Eifersucht versetzt hat, ihn mit Ella zu treffen. Wieer sich im Primrose Hill nach vorne beugt, um mich zu küssen …
Ach du lieber Himmel. Ich schlucke schwer und mache noch einen Schritt zurück und kann ihm mit einem Mal nicht mehr in die Augen sehen, aus Angst, er werde es mir an der Nasenspitze ansehen, was mir gerade durch den Kopf geht.
»Dann bin ich mal weg.« Sam lächelt verlegen in die noch immer jubelnde Menge. Und ich nicke nur rasch, drehe mich um und stürze mich in die Umgestaltung, während ich mich krampfhaft bemühe, ihm nicht nachzuschauen, als er aus dem Laden verschwindet.
*
Am späten Nachmittag schiebe ich mein Fahrrad durch Primrose Hill, während Lola und Raffy neben mir herlaufen und kreischen und hüpfen und stehen bleiben, um Stöckchen und Steinchen und eigentlich alles, was ihnen ins Auge fällt, genauestens zu untersuchen, und alles dafür tun, damit wir uns in ihrem gemächlichen Schneckentempo fortbewegen. Ich lasse sie einfach gewähren, denn ich habe es nicht besonders eilig, nach Hause zu kommen. Ich kann an nichts anderes denken als an Sam und Joel, und ich brauche diesen Spaziergang ganz dringend, um einen klaren Kopf zu bekommen. Mir will bloß nicht einleuchten, warum ich ausgerechnet jetzt, wo ich einen Mann wie Joel kennengelernt habe, so wunderbar und gutaussehend und aufregend, solche Gefühle für Sam entwickele. Joel ist alles, was ich mir je von einem Mann erträumt habe. Ein Mann, von dem ich immer dachte, der würde ein Mädchen wie mich keines Blickes würdigen. Aber das hat er, und er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die Sache zwischen uns für ihn mehr ist als bloß ein kleiner harmloser Weihnachtsurlaubsflirt. Warum also setze ich mein Glück aufsSpiel, weil mir plötzlich ein anderer Mann im Kopf herumspukt? Jemand, der in den vergangenen beiden Jahren immer bloß ein Freund für mich war, mehr nicht. Könnte es sein, dass meine Gefühle für Sam so lange im Dornröschenschlaf lagen, weil ich einfach eine Heidenangst hatte, nach der Enttäuschung mit Jamie wieder jemanden an mich heranzulassen? Habe ich durch Joel wieder so viel Selbstvertrauen, dass ich mir meine Empfindungen jetzt eingestehen kann? Oder habe ich Joel einfach in letzter Zeit zu selten gesehen,
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