Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
Maisie meinte immer, ich sei ein handwerkliches Superhirn. Ich habe mir gedacht, statt die Paravents mit Stoff zu verkleiden, was teuer und zeitaufwendig wäre, könnten wir sie einfach tapezieren und dann an verschiedenen Stellen der Abteilung platzieren. Man könnte beispielsweise ein paar schöne Kleidungsstücke darüber drapieren, als hätte sich dahinter gerade jemand umgezogen. Aber – und das ist das Sahnehäubchen – wir könnten auch sämtliche Umkleidekabinen in eine Art VIP-Kleiderschrank umgestalten, wo wir dann die elegantesten Designerroben und Schuhe ausstellen. Ich denke, das würde der Abteilung ein sehr luxuriöses Flair verleihen. Das hätte so eine Anmutung wie der begehbare Kleiderschrank in dieser Fernsehserie, nach der ihr Frauen so verrückt seid, in der sie über nichts anderes als Schuhe und Sex reden – allen voran diese Blondine, die aussieht wie ein Transvestit.«
»Meinst du Sex and the City ?«, frage ich mit heruntergeklappter Kinnlade.
»Meine Maisie hat diese Serie geliebt. Wobei ich mir das nie angesehen habe, selbstredend«, fügt er schroff hinzu und räuspert sich. »Was diese Carrie Brettkuh da getragen hat, war einfach zu verrückt, und wie dieser Mr. Gernegroß mit ihr umgesprungenist? Das würde sich doch keine halbwegs normale Frau bieten lassen. Meine Maisie hätte sich das jedenfalls nicht gefallen lassen, ganz bestimmt nicht …«
Staunend starre ich Felix an und schaue von ihm zu seinen Skizzen und wieder zurück. Meine Freunde erstaunen mich immer wieder. Er hat ganz großartige Ideen, viel besser als alles, was ich mir gestern Abend aus den Fingern gesaugt habe. Ich hatte den Kopf voll mit Joel und Carly und habe mir Sorgen um Delilah gemacht. Ich habe sie in ihrem Zimmer weinen gehört, weil Will mal wieder nicht zuhause war. Und irgendwann bin ich dann eingeschlafen und hatte die bissigen Bemerkungen meines Vaters noch im Ohr. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, habe ich die meisten meiner Entwürfe umstandslos in den Müll geworfen und mir vorgenommen, einfach auf gut Glück loszulegen. Doch nun hat Felix meiner Fantasie auf die Sprünge geholfen, und ich bin mir sicher, mit seiner Hilfe wird diese Verschönerungsaktion ein voller Erfolg.
Begeistert falle ich ihm um den Hals. »Felix, deine Ideen sind genial! Aber meinst du wirklich, wir schaffen das alles heute Morgen?«
»Natürlich schaffen wir das, Schätzchen. Ich habe Jan Baptysta schon gesagt, er soll gleich anfangen, die Umkleidekabinen zu einem einzigen begehbaren Raum zu verbinden. Ich hoffe, du hast nichts dagegen?«, fügt er verschämt hinzu. »Aber ich war mir sicher, die Idee würde dir gefallen. Jedes Kaufhaus und jede Frau sollte einen begehbaren Kleiderschrank haben!«, säuselt er mit affektierter Stimme.
Wieder muss ich lachen und zerre ihn aus seinem Kabuff. »Dann nichts wie los, wir müssen uns beeilen, damit du schnell wieder zurück auf deinen Posten kommst!«
»Ach, vergiss meinen Posten!«, gluckst Felix. »Meistens döse ich doch bloß. In den drei Jahren, die ich nun schon hier sitze, isthier noch nie jemand außerhalb der Öffnungszeiten aufgetaucht. Und mal ehrlich, bis du mit deiner Frischzellenkur angefangen hast, kamen sie ja nicht mal während der Öffnungszeiten!«
Lachend spazieren wir gemeinsam in den Laden und können Hardy’s traurige Lage auf einmal mit Galgenhumor nehmen. Vielleicht, weil wir einen Silberstreif am Horizont sehen.
Gerade begrüßen wir die anderen fleißigen Arbeitsbienen, als Sam hereinplatzt.
»Evie!«, japst er. »Ich hatte gehofft, dass du schon da bist. Ich musste unbedingt herkommen und dir das zeigen!« Im Arm hat er einen ganzen Stapel Abzüge, die er mir jetzt in die Hände drückt. »Ich habe sämtliche Lieferungen für heute Morgen abgesagt, damit ich die zu den ansässigen Zeitungen bringen kann. Wie findest du sie?«
Rasch blättere ich die Szenen unserer letzten Umgestaltung durch, die Sam auf Film gebannt hat, bis mir plötzlich auffällt, dass sich eine ganze Menschentraube um mich drängt. Felix, Lily, Jan Baptysta und die anderen lugen mir über die Schultern und raunen begeistert »ooh« und »aah«.
»Wie findest du sie?«, fragt Sam erneut, diesmal etwas nachdrücklicher. »Ich hoffe, ich habe das Flair der Umgestaltungsaktion einfangen können, ohne die Beteiligten zu verraten. Ich dachte mir, die hier –«, er weist auf eine Serie von sechs Aufnahmen von uns beim Umkrempeln der Lederwarenabteilung, »würden eine
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