Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
Neugierig recke ich den Hals und stelle mich auf die Zehenspitzen, damit ich besser sehen kann. Dabei kann ich an nichts anderes denken als an Joels Atem in meinem Nacken.
»Willkommen zu Hardy’s großer Neueröffnung …«, verkündet Rupert nervös.
»Ich dachte, du weißt, dass ich bei Rumors arbeite«, murmelt Joel mir ins Ohr, und ich kann einfach nicht anders, ich muss mich umdrehen und ihm widersprechen.
»Woher denn? Das hast du mit keiner Silbe erwähnt. Nein, du hast sogar angedeutet, du seist mit Rupert befreundet . Ich dachte, du bist auf unserer Seite! Hätte ich gewusst, dass du die ganze Zeit darauf hinarbeitest, Hardy’s zu schließen, dann hätte ich –«
»Was hättest du?«, fragt Joel und schaut mich unverwandt an.
»Ich hätte mich nie auf dich eingelassen.«
»Aber«, sagt er, »du hast doch selbst gesagt, dass du Rumors für die Zukunft des Einzelhandels hältst. Ich dachte, du freust dich über die Übernahme.«
Ganz kurz zwickt mich das schlechte Gewissen, aber das ignoriere ich geflissentlich. Er ist im Unrecht, nicht ich. »Jedenfalls möchte ich nicht Teil dieser Zukunft sein«, entgegne ich steif und kehre ihm den Rücken zu. »Und jetzt, bitte, Joel, ich möchte gerne verstehen, was Rupert sagt.«
Rupert hat sich mit seiner Rolle als Zeremonienmeister angefreundet und wirkt sichtlich entspannt. Die Menschenmenge hängt ihm andächtig an den Lippen.
»Meine Familie und ich sind überwältigt von der Unterstützung, die wir und dieses Haus erfahren haben, und möchten all unseren Kunden für ihre langjährige Treue danken«, sagt er, und seine stolze Stimme übertönt mühelos den Lärm der Menge. »Einige große Veränderungen, von denen ich zum Teil nichts wusste, gehen bei Hardy’s vor, und zwar dank unserer heimlichen Weihnachtswichtel, die schwer geschuftet haben, um dieses Traditionshaus zu retten …« Die Menge applaudiert, und Rupert strahlt über das ganze Gesicht.
»Das verstehe ich nicht.« Joel redet immer noch mit mir, obwohl ich versuche, ihn links liegen zu lassen und mich ganz aufRupert zu konzentrieren. »Du hast immer gesagt, Rumors sei genau dein Laden, Hardy’s sei altmodisch und überholt und –«
»Tja«, unterbreche ich ihn harsch, ehe er mir noch mehr meiner lächerlichen »Carly«-Bemerkungen aufzählt, »vielleicht war ich auch nicht ganz ehrlich zu dir.«
Joel wirkt etwas konsterniert. »Wie meinst du das, Carly? Das verstehe ich nicht.«
»Ich bin nicht Carly, wenn du’s genau wissen willst, okay?«, seufze ich matt, weil ich es satthabe, immer alles erklären zu müssen.
Joel stiert mich an, als sei mir gerade ein zweiter Kopf aus den Schultern gewachsen.
»Joel, in Wahrheit heiße ich nicht Carly. Und ich bin auch nicht Hardy’s Ex-Einkaufsberaterin-und-jetzt-stellvertretende-Verkaufsleiterin, ich bin bloß das Mädchen aus dem Warenlager.« Er schaut verdutzt, und ich reiche ihm die Hand. »Ich bin Evie, nett dich kennenzulernen.« Und dann mache ich einen kleinen Knicks und spüre einen an dieser Stelle vollkommen unangebrachten Lachanfall in mir aufsteigen. »Oh Mann, ich bin echt erleichtert, dass das endlich raus ist!«, kichere ich nervös.
Vor mir dreht sich jemand um und zischt mich an, dass ich still sein soll. Verlegen senke ich den Blick und schaue dann wieder Joel an, der mit verschränkten Armen dasteht, die dichten dunklen Augenbrauen fragend hochgezogen, und darauf wartet, dass ich fortfahre. Ich seufze und hole tief Luft.
»Als wir uns das erste Mal gesehen haben, hast du mich mit jemandem verwechselt. Du hast mich für ein Mädel gehalten, das hübsch ist und attraktiv und witzig und talentiert, also habe ich einfach mitgespielt. Carly ist eine gute Freundin von mir, und ich wollte immer so sein wie sie. Sie geht mit tollen Männern aus, so wie dir, und ich dachte mir wohl, warum eigentlich nicht? Warum mich nicht einfach für sie ausgeben? Es tut ja niemandem weh. Und außerdem hätte ich nie gedacht, dass du mich tatsächlich anrufst …«
Joel beißt die Zähne zusammen, und man sieht, wie seine Kiefermuskeln sich anspannen. Ich schüttele den Kopf und zwinge mich dazu, mich auf das zu konzentrieren, was ich ihm sagen will. »Ich hatte es so satt, in einem miesen Job festzusitzen, der niemanden einen Pfifferling interessierte, immer scheußliche Klamotten zu tragen und so, so … gar nicht unvergesslich zu sein. Niemand könnte je behaupten, dass irgendwas davon auf Carly zutrifft, also habe ich mir gedacht,
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