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Ein weißes Land

Ein weißes Land

Titel: Ein weißes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherko Fatah
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zusammenzupressen.
    »Lebt dein Freund noch?«
    »Nein.«
    Ich schloss meine Finger um die Hand des anderen.
    »Du hast ihn also nicht gut beschützt?«
    Die Gesichtshaut des Mannes rötete sich vor Anstrengung.
    »Nein.«
    Ich achtete darauf, nicht mehr zu tun, als dem Druck der Hand standzuhalten.
    »Es gibt so viel Weiches«, schnaufte der Mann, »das so tut, als wäre es hart. Ich bin immer wieder erstaunt darüber. Der Krieg produziert vor allem Lügner.«
    Ich atmete ruhig und gleichmäßig. Der Mann war stark, aber nicht stark genug für mich, das wusste ich bald. Es würde ihm nicht gelingen, mich schreiend zu Boden zu schicken, nicht einmal meine Finger konnte er fixieren. Dennoch musste ich achtgeben, ein Moment der Unaufmerksamkeit, und ich würde die Spannung in der Hand nicht mehr aufbauen können. Dem Mann trat Schweiß auf die Stirn. Seine Kameraden beobachteten uns aufmerksam, doch als es zu langwierig wurde, gaben sie sich wieder fröhlich.
    »Ihr habt euch jetzt begrüßt, lasst gut sein. Es ist spät.«
    Doch der Mann ließ nicht ab, versuchte weiter, meinen Griff durch kleine Bewegungen zu lockern.
    »Warum bist du der Diener irgendeines Herrn? Hast du keinen Stolz im Leib?«
    Ich ließ mich nicht provozieren.
    »Willst du nicht frei sein?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Zum Sklaven geboren, was?«
    Ich nickte und griff auf ein paar meiner angelesenen Königswörter zurück, als ich erwiderte:
    » Jenseitskranke Gottseligkeit .«
    Der andere verzog nur das Gesicht.
    Ich zuckte zusammen, als ich eine Hand auf der Schulter spürte. Elsa stand hinter mir. Sie trug einen Mantel, war bereit zu gehen. Die beiden Frauen am Tisch schauten sie prüfend an.
    »Ich glaube, der junge Mann sollte seinen Pflichten nachkommen«, sagte sie, »anstatt hier Spiele zu spielen. Meine Herren, Sie bringen ihn in Schwierigkeiten, wollen Sie das?«
    Ihre Anwesenheit war so überraschend, ihr Ton so förmlich und selbstbewusst, dass der SS -Mann meine Hand sofort losließ und sich erhob. Während er seine Finger lockerte, sagte er:
    »Nein, das wollen wir natürlich nicht. Der junge Mann war unser Gast und wie wäre es, wenn Sie sich dazugesellten? Es ist noch Schampus da.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte Elsa, ohne die Miene zu verziehen, »aber es ist den Angestellten des Hauses nicht erlaubt, hier mit den Gästen zu sitzen. Sie zupfte an meinem Hemdrücken und ich verstand.
    »Das ist aber schade«, sagte eine der Frauen mit einem aufgesetzt liebreizenden Lächeln.
    Aller Augen folgten uns, als wir uns entfernten. Elsa hielt mich am Hemd, bis wir außer Sichtweite waren.

5.
    I m Gehen erklärte ich meiner Beschützerin das Problem mit der Rechnung. Sie ließ mich kurz stehen und regelte die Sache, als sie zurückkam, eilte sie voraus, wandte sich erst im Windfang um und sagte:
    »Was denken Sie sich? Sie kennen diese Leute überhaupt nicht.«
    »Sind sie gefährlich?«, fragte ich betont arglos.
    Sie öffnete die Tür und trat auf die Straße hinaus. Zögernd antwortete sie:
    »Was weiß ich, ich kenne sie auch nicht. Sie haben ein Spiel gespielt, worum ging es dabei?«
    Ich berichtete und Elsa schüttelte den Kopf. Wir standen noch immer unter dem Baldachin des Hoteleingangs, im Licht der Laternen wirkte ihr Gesicht bleich. Ich rief mir ins Bewusstsein, dass sie einen langen Arbeitstag hinter sich hatte und mit mir ganz gewiss nichts anfangen konnte.
    »Sie sollten jetzt zu Ihrem Herrn gehen, er wird Sie sicher schon vermissen«, sagte sie mit einem angestrengten Lächeln.
    Sie zupfte sich ihren Hut zurecht und blickte missmutig auf die Straße. Obwohl es Sommer war, pfiff ein kühler Wind in den Mauerritzen. Gerade wollte ich mich verabschieden, da trat ein hochgewachsener Mann von hinten an Elsa heran. Er berührte sie nicht, sondern streckte seinen Kopf über ihre Schulter. Sie fuhr zusammen, erkannte ihn und ihre Gesichtszüge entspannten sich. Sie ergriff den Arm des Mannes und zog ihn in meine Nähe.
    »Das ist Hermann, mein Verlobter«, sagte sie stolz und drückte seinen Arm an sich. »Und das ist Herr Anwar aus Bagdad. Ich habe dir von ihm erzählt, er schläft vor der Tür der Präsidentensuite.«
    »Ah ja«, sagte Hermann, neigte den Kopf ein wenig und gab mir die Hand. »Sie sind der junge Mann, der so schlecht behandelt wird.«
    »Hermann, das habe ich nicht gesagt.«
    »Oh doch, das hast du. Du warst richtiggehend empört.«
    Der Mann war mir auf Anhieb sympathisch mit seinem offenen

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