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Ein weißes Land

Ein weißes Land

Titel: Ein weißes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherko Fatah
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Uniform, im schwachen Licht der Karbidlampe wirkte sein Gesicht mit dem schlohweißen Kinnbart wie das eines uralten Mannes.
    »Wer sind Sie?«, stieß er hervor und tastete auf dem Tisch zwischen den Papieren herum.
    Er erkannte mich nicht, daher hob ich sofort eine Hand und wühlte mit der anderen in meiner Jackentasche, zog den Verband hervor und hielt ihn hoch.
    »Ich bin der Araber«, sagte ich und presste mir das Bündel gegen die Schläfe.
    Schultheiss’ Gesicht entspannte sich, er hatte die Waffe bereits in der Hand und ließ sie im Holster verschwinden.
    »Meine Güte, du hast mich erschreckt. Komm, hilf mir, wir müssen hier weg. Abmarsch.«
    Ich nahm an Papieren, was er nicht tragen konnte, und fragte ihn noch, ob ich nicht meine Uniform brauchen würde. Er pfiff durch die Zähne und antwortete:
    »Quatsch, Mann, alles vorbei. Sei froh, wenn niemand dich erkennt.«
    »Wohin geht es denn?«
    »Westwärts, Junge, westwärts. Hast du eine Waffe?«
    Ich verneinte.
    »Dann bleib hinter mir und halt die Augen offen.«
    Heftiges Schneetreiben hatte eingesetzt, als wir die Straße vor der Wawel-Burg erreichten. Über uns erhob sich der Bau gewaltig hinter dicken Mauern, Kamine und Turmhelme verschwammen zwischen den umherwirbelnden Flocken. Vor einer breiten, beleuchteten Treppe stand eine Wagenkolonne bereit, mit laufenden Motoren warteten die schwarzen Limousinen und Transporter auf den, der zu ihnen herabsteigen würde. Ein Spalier von Soldaten säumte die Stufen. Ich versuchte unsere Leute ausfindig zu machen, doch es herrschte so viel Betrieb vor der Burg, dass ich Schultheiss nur nachlaufen konnte, der offenbar genau wusste, wo sie waren. In jeder Limousine hockten Lametta-Träger dicht an dicht mit Verwaltungsbeamten. Die Fahrer lehnten an den Wagen oder wischten den Schnee von den Scheiben und blickten des Öfteren ungeduldig zur Treppe.
    Als wir direkt vor ihr waren, hielt Schultheiss inne. Die Stufen herab kam ein untersetzter Mann in schwarzer Ausgehuniform unter einem schönen, hellbraunen Wachtmantel. Er trug weiße Handschuhe und bewegte seine kalten Finger, als greife er nach etwas Unsichtbarem in der kalten Luft. Das musste der Generalgouverneur sein, dessen weiches Gesicht mit den lebhaften Augen mir so unwirklich hell erschien, als würde es von innen beleuchtet. Schneeflocken legten sich auf seine schwarze Mütze, während er vorsichtig Stufe um Stufe herabstieg, darum bemüht, seine Stiefelsohlen sicher zu platzieren.
    Möglicherweise starrte ich ihn ein wenig zu aufmerksam an, denn kurz trafen sich unsere Blicke und ich fuhr zusammen. Eine Prozession von frierenden Beamten folgte ihm, schwer beladen mit den Papieren und den vielen Souvenirs, die ihr Dienstherr mitzunehmen gedachte. Einem entglitt der Stapel, fiel auf die Stufen und rutschte in Schichten abwärts. Ohne zu überlegen war ich zur Stelle, schob den Haufen wieder zusammen und legte ihn dem Übeltäter in die Arme. Der Generalgouverneur war stehen geblieben, schaute mich kurz verwundert an und nickte sogleich wohlwollend. Gleich darauf reckte er sein breites Kinn vor und eilte zu seiner Limousine. Noch bevor er eingestiegen war, hatte er sich mit zwei geschickten Bewegungen die Handschuhe von den Händen gezogen.
    Mich erfüllte ein kleines Glücksgefühl, weil ich offensichtlich nicht so entstellt war, wie ich gedacht hatte. Der Generalgouverneur hatte mich als normalen Menschen erkannt, jemanden, der in seiner Nähe auftauchen und ihn erstaunen konnte, ohne ihn aber zu erschrecken.
    »Die Sankras bleiben hinten«, sagte Schultheiss und zog mich mit sich. »Wir müssen uns zurückfallen lassen, zu gefährlich.«
    Tatsächlich beschrieb die Straße unweit der Burgtreppe eine Kurve, hinter der in langer Reihe die Sanitäts-Kraftwagen standen. Die Planen waren noch halb zurückgeschlagen, so dass ich hinter den Holzplanken die wie Larven dicht gepackten, in Decken gewickelten Verletzten sehen konnte. Dr. Stein kam auf uns zu, blieb abrupt stehen und fragte:
    »Bist du das?«
    Ich bejahte und der Doktor nahm Schultheiss die Papiere ab.
    »Wechseln Sie zu Zivil, Kollege«, sagte er. »Ich glaube es ist besser.« Er wandte sich wieder an mich. »Du kommst mit mir.«
    Er führte mich zu einem der hinteren Transporter, öffnete die Ladeklappe und ließ mich hinaufsteigen. Hier gab es noch etwas Platz und der Doktor sagte:
    »Halt mir einen frei.«
    Er zog die Plane zurück, befestigte sie an den Seitenplanken und verschwand. Ich fror

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