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Ein weißes Land

Ein weißes Land

Titel: Ein weißes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherko Fatah
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getan, bot sogar die alte Filzdecke als Geschenk an. Ich fragte mich, ob er auf irgendeine Weise bei uns bleiben wollte oder einfach nur servil war. Der Mann ließ Ezras Geld in seiner großen Hand verschwinden, postierte sich in der Nähe seines hölzernen Kahns und winkte, als wir zurück zum Auto gingen.
    Das Licht schwand, rasch kam der Abend und mit ihm erhob sich der Gesang der Zikaden. Ein weicher Wind wehte.
    »Mach das Verdeck auf«, sagte Mirjam, als sie vor dem Wagen stand.
    Ezra schüttelte heftig den Kopf.
    »Er hat es ausdrücklich verboten. Hör mir zu, das war ihm wirklich wichtig.«
    »Was kann jetzt schon noch passieren, wir sind seit zwei Stunden unterwegs.« Mirjam machte keinerlei Anstalten einzusteigen.
    Ratlos blickte Ezra zu mir. Ich aber hob nur die Schultern und tat einen Schritt zurück.
    »Gut«, sagte er dann. »Aber: Bevor wir beim Haus sind, halten wir an und schließen es wieder.« Er wartete die Antwort nicht ab, sondern machte sich ans Werk.
    Ezra fuhr nicht schnell, und doch war der Wind so heftig, dass Mirjams Haarband beinahe davongeflogen wäre. Ich reagierte rasch und gab es ihr nach vorn zurück. Die wenigen beleuchteten Häuser am Ufer zogen in der Ferne vorbei, der Wagen schaukelte auf der Sandpiste, bis wir endlich die befestigte Straße erreichten. Von hier an wurde die Fahrt gemütlich. Mirjam ließ ihr Haar im Fahrtwind wehen. Ich sah ein Stück ihres Nackens mit dem zarten dunklen Haaransatz, und hatte das Gefühl, am richtigen Ort zu sein.
    Es war, als hätte ich lange schon auf diesen Augenblick gewartet. Aus dem Auto heraus gesehen war die Welt eine freundliche, einladende Fremde, nah und fern zugleich und, dem Augenschein nach, vollkommen friedlich.
    Der Cadillac war in der Dunkelheit nicht gut zu erkennen, daher glitten wir fast unbemerkt vorüber an den Gruppen weißgewandeter Männer, die um diese Zeit die Teehäuser verließen und nach Hause gingen, und an den müden Jungen, die ihre mit leeren Leinensäcken behängten Fahrräder in lichtlose Seitengassen schoben.
    Wir passierten das Bab ash Shaik und Ezra musste abbremsen, weil etwa zwanzig Männer auf der Straße gingen. Nur widerwillig gaben sie den Weg frei, ausdruckslos betrachteten sie die drei jungen Leute in dem seltsamen Gefährt. Vorsorglich hatte Mirjam ihr Haar wieder unter der Abbaja verborgen. Langsam schob sich der lange Kühler des Cadillacs an den Körpern der Männer vorbei.
    Als wir durch den Pulk hindurch waren, beschleunigte Ezra kurz bis zur nächsten Seitengasse, die in Richtung Bataween führte. Er hätte zu einer größeren Querstraße weiterfahren können, doch er wollte so schnell wie möglich fort von der Meute. Es war Freitag, die Predigt in der Moschee musste gerade zu Ende sein. Die Gasse war eng und dunkel, die Scheinwerfer des Cadillacs beleuchteten Insektenschwärme, hölzerne Haustüren und Verschläge und dann und wann ein verzerrtes Gesicht in den Nischen zwischen den Hausmauern.
    Aus einer Laune heraus wandte ich mich um und prallte sofort zurück, beinahe fiel ich zwischen Rückbank und Vordersitz. Dicht neben uns, auf Höhe des hinteren Kotflügels rannte ein Mann. Sein Mund stand offen und dennoch atmete er kaum hörbar. Er hielt ein langes Gebilde mit beiden Händen umklammert und schwenkte es über dem Kopf. Ezra fuhr so langsam, dass der Verfolger den Wagen vollends einholte. Er war bereits dicht hinter Mirjam, als ich mich aufgerappelt hatte und sie heftig nach vorn stieß. Der Schlag traf den Rahmen der Frontscheibe, drückte ihn ein und ließ das Glas zersplittern.
    Ezra riss vor Schreck das Lenkrad herum, steuerte das Auto unter ein hölzernes Vordach und rammte dessen morsche Säulen. Mirjam schrie auf, als der Angreifer seine Waffe erneut hob, ein Wasserrohr, an dem noch rostige Manschetten hingen. Ich sah ihn nun aus der Nähe, die aufgerissenen Augen, die schweißnasse Stirn, ich hörte den leise röchelnden Atem. Anstatt einen weiteren Schlag auszuführen, entfernte er sich und warf das Rohr von sich.
    Ezra steuerte zurück in die Gasse, wo der Mann bereits wartete und zum Wagen sprang. Mit beiden Armen umschlang er Mirjams Schultern und versuchte sie aus dem Sitz zu reißen. Sie schrie auf und Ezra stoppte, während ich bereits aufrecht stand und auf den Mann einschlug. Dabei spähte ich immer wieder nach hinten, ich konnte nicht glauben, dass der Angreifer allein war. Nach einem heftigen Schlag ins Gesicht ließ er von Mirjam ab. Jetzt schnaufte er, und

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