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Ein weißes Land

Ein weißes Land

Titel: Ein weißes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherko Fatah
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Begleitung ihres Gastgebers, blieb stehen und blickte sich suchend um. Ich eilte aus dem Schatten zu ihr. Ein angedeutetes Lächeln, mehr ein Zucken huschte über ihr Gesicht, als sie mich sah. Sogleich blickte sie zum General und verabschiedete sich. Es dauerte seine Zeit und als sie so weit war, folgte ich ihr über den Rasen bis zur Stacheldrahtumfriedung des Geländes. Obwohl sie gemalt worden war, hatte sich ihre Stimmung seit dem Morgen sichtlich verschlechtert. Sie hastete durch die Gassen, zeigte, anders als sonst, kein Interesse für die Menschen umher, die sie ausnahmslos anstarrten.
    Ich blieb dicht hinter ihr. Kamen wir in ein Gedränge, achtete ich auf die Hände der Männer. Doch hatte ich nicht viel zu tun; sie wagten es nicht, sie zu berühren. Zu fremdartig war sie in diesem fest wie ein Panzer wirkenden Sommerkleid. Mit hoch erhobenem Haupt pflügte sie durch das Gewimmel von Kindern, verschleierten Frauen und erstaunt dreinblickenden Bauern. Ihr Sommerhütchen fand besondere Beachtung, so mancher schien sich zu erschrecken bei diesem Anblick. Mir war das Angestarrtwerden körperlich unangenehm. Ich war es nicht gewöhnt, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Leise Beklemmung überkam mich bei dem Gedanken, all die Leute würden mein Gesicht nun kennen und sich ebenso merken wie das dieser Frau. Die Händler glotzten uns aus den dunklen Nischen ihrer Shops nach. Ich starrte zurück und fühlte mich bereits wie ein Zugereister, jemand, der diesen Ort gerade entdeckt.
    Die englische Frau hielt sich die Hand vor Mund und Nase, als wir die Stapel von Vogelkäfigen passierten, die von den Händlern an den Weg gestellt worden waren. Jetzt nahm auch ich den Gestank wahr und das verwunderte mich, früher hatte ich nie darauf geachtet. Überhaupt sah ich die Umgebung deutlicher, seit ich die Frau begleitete. Ich bemerkte die misstrauischen Blicke der Polizisten und auch die respektlosen, angriffslustigen Bemerkungen und das Schnalzen der Jugendlichen im Vorbeigehen. Jeder hier wusste natürlich, dass sie Engländerin war, und eben deswegen wagte es so mancher. Ich begann mich um die Sicherheit der Frau zu sorgen.
    Als wir die Rashid-Straße erreichten, schreckte mich dumpfer Lärm auf. Der klare blaue Himmel über den Flachdächern schien von transparenten Wellen durchzogen, die Kronen der Dattelpalmen erzitterten, als ein Blenheim-Bomber über uns hinwegflog. Mit einigem Abstand folgte ihm ein Jagdflugzeug, es raste vorbei und lag dabei schräg in der Luft. Alle in der Straße schauten hinauf und warteten ein paar Momente lang auf eine Explosion. Doch nur Flugblätter schneiten herab, über den Dächern leuchteten sie auf wie ein Taubenschwarm. Die Motorengeräusche entfernten sich allmählich und als wäre nichts geschehen, senkte ein jeder den Kopf und setzte fort, worin er unterbrochen worden war.
    Diese Kampfflugzeuge zeigten sich immer häufiger, ohne dass man genau wusste, warum. In Europa tobte seit mehr als einem Jahr der Krieg. Die Zeitungen berichteten darüber ebenso wie das Radio. Dieser Krieg hatte begonnen mit Auseinandersetzungen um Teile weit entfernter Länder, die ich wie die meisten Leute hier nicht kannte. Die Engländer waren inzwischen beteiligt und so gelangten die Neuigkeiten bis nach Bagdad. Wer Zugang zu einem Radioapparat hatte, hörte BBC und erzählte davon. Hitler zerstörte die überkommene Ordnung, und er schien unaufhaltsam zu sein. Er siegte und siegte, in Windeseile breitete sich sein Krieg aus und nun war er nicht mehr weit entfernt.
    Die englische Frau blieb unvermittelt stehen und blickte sich nach mir um. Ich schloss rasch zu ihr auf. Insgeheim fürchtete ich diese Situation. Oft kamen ihr plötzlich Ideen in den Sinn, die sie sofort und eilig in die Tat umsetzen wollte. Einmal hatte sie mich nach süßen Nüssen geschickt, die sie aber nicht näher beschreiben konnte, zumal ich mit meinem Schulenglisch nicht alles verstand, was sie sagte. So musste ich die Stände abklappern und von jeder erdenklichen Sorte Nüsse eine winzige Portion kaufen. Als ich sie zu ihr brachte, hoffte ich, sie würde die richtigen erkennen. Doch sie begriff nicht und schüttelte den Kopf beim Anblick der vielen kleinen Päckchen aus Papier.
    Diesmal zeigte sie zwar wieder den typischen versonnenen Gesichtsausdruck vor einem ihrer Einfälle. Sie kniff die Augen zusammen und ich sah, wie sich die Sommersprossen auf ihren hellen Wangen bewegten. Doch sie ließ mich nur wissen, dass sie nicht

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