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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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nicht zuletzt wegen ihrer Erfolglosigkeit und ihrer Gewinne von nur bescheidenem Maß. Mit dem einen Vater ging er hinaus in den Hof zu den Mastschweinen und später zum Sandacker, in dem die verkäuflichen Feldsteine vorrätig lagerten; mit dem anderen Vater zählte er die in den Kaninchenställen wimmelnden Würfe der Blauen Wiener und bewunderte dann im Gemüsegarten die gut tragenden Feuerbohnen, den Blumenkohl und den Sellerie. Bis zum Schilf- und Uferstreifen des Villengrundstücks gingen sie und redeten zeitverschoben, wobei Fonty mit nachgespitztem Blei ein weiterer See zum Dianasee einfiel, der zu der Seenkette im Grunewaldviertel gehörte und an dessen Ufer sich Literarisches abgespielt hatte: Die kommerzienrätliche Treibel-Gesellschaft erging sich plaudernd und schwatzte über zwei Schwanenhäuschen bei fehlenden Schwänen. Als im weiteren Verlauf des Spaziergangs des Lebens Wechselfälle besprochen wurden, rief Frau Jenny Treibel, die Seite an Seite mit Professor Schmidt ging: »Es ist ein Elend mit den Äußerlichkeiten. Glück, Glück! Ach, Wilibald, daß ich es in solcher Stunde gerad vor Ihnen bekennen muß, das Glück, es ruht hier allein.« Dabei legte sie die Hand aufs Herz. Fonty zitierte noch mehr Stellen, die sich auf den Halensee bezogen, zum Beispiel die Passage mit dem biertrinkenden Pferd. Zwischendurch war er die fünfeinhalb Schritt über die rotchinesische Teppichbrücke hin und zurück unterwegs. Keine Mühe machte es ihm, mit eiligen Gedanken ein Jahrhundert auszuschreiten. Gerade noch feierte er den siegreich beendeten Krieg gegen Österreich, mithin Moltke und die Schlacht bei Königgrätz – »Wie bescheiden hat man den großen Schweiger nach vollbrachter Tat erlebt« –, da kam er schon ohne Umstand auf die prekäre Lage Berlins kurz vorm Mauerbau: »Irgendwie mußte der Massenflucht Einhalt geboten werden. Dem Arbeiter- und Bauern-Staat liefen die Bürger davon. Ja, ich war für die Mauer, wenngleich sie mich auf Jahre vom Westen der Stadt, vom Tiergarten und, fast noch schmerzlicher, von meinem liebenswürdigen Vater und, zu meiner Frau Leidwesen, von dessen unentwegt nachwachsenden Kaninchenbraten getrennt hat …« Und schon eilte er abermals vom verschilften Dianasee zum sandigen Oderufer, vom alten Max Wuttke in seiner Gärtnerschürze zum Vater des Unsterblichen, um auch diesen Einsiedler im Drillichrock aufs Podest zu stellen. Der sagte, als ihn sein Sohn zum letzten Mal besuchte: »Das reine Hohenzollernwetter hast du getroffen. Schreibst ja auch viel über die Hohenzollern. Ich für meine Person halte an Napoleon fest …« Und der ehemalige Steindrucker sagte vom Denkmalsockel herab zu seinem Sohn, als dieser auf Besuch von Ost- nach Westberlin zum Hasensprung gekommen war: »Na, ist das wieder ein Sommer! Kaiserwetter hat man in meiner Jugend dazu gesagt. Und wie sieht’s drüben aus? Hältst du noch immer Vorträge über die Unsterblichkeit unserer Neuruppiner Lokalgröße? Kenne das alles, sein Gerede über die Zukunft der Arbeiterklasse.
    Sogar preußische Junker hat er angebebelt daherreden lassen. Ja, sag mal, erlaubt dir der Genosse Ulbricht, freiweg den ollen Stechlin zu zitieren? Und darf der Busenfreund der Treibelschen, na, wie heißt er schon, richtig, Wilibald Schmidt, noch immer zu seiner Tochter sagen: ›Corinna, wenn ich nicht Professor wäre, so würd ich am Ende Sozialdemokrat …‹?« Worauf Fonty nach kurzem Teppichlauf in schwer leserlicher Bleistiftschrift dem Karnickelzüchter Antwort gab: »Gewiß, Vater, aber nur, wenn ich im folgenden Satz auf hochgehaltenem Transparent den Kommunismus siegen lasse.«
    Man könnte über soviel Vaterverehrung lächeln oder tiefschürfend reden, zumal Fonty sogar der Kriegsruine am Hasensprung 35 eine gewisse Unsterblichkeit zugesprochen hat. Das fiel ihm leicht, weil dort, kurz nach Max Wuttkes Tod, der Altbau renoviert wurde und eine namhafte österreichische Dichterin in einer ausgebauten Etage Wohnung nahm, wenn auch nur für bemessene Zeit. Dennoch war ihm der alles in allem unglückliche Berlinaufenthalt der Lyrikerin Ingeborg Bachmann Anlaß genug, ins Bild des Vaters und Hausmeisters die spätere Mieterin zu schummeln, beide miteinander zu verquicken, als wären sie sich begegnet, einige Verse aus dem Band »Die gestundete Zeit« zu zitieren, dabei der inzwischen komfortablen Grunewaldvilla Bedeutung anzudichten und mit dem Wunsch »Hätte mit der Bachmann gerne ein Stündchen und länger zwischen

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