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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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stehender Chef als überaus fleißig galten – sie betrieben das Abwickeln von Industrieanlagen, Immobilien, Verlagshäusern samt Inhalt, Schlachthöfen und Ferienhelmen, landwirtschaftlichen Genossenschaften und volkseigenen Schlössern wie unter Produktionszwang, wobei sie ihren durch Prämien belohnten Fleiß in Erfolgsmeldungen kleideten machten sie sich viele Feinde, sogar einige Feinde zuviel.
    Das und noch mehr sagte Fonty zum Chef des Hauses, als beide sich zufällig in einer Paternosterkabine fanden. Sofort und unvermittelt begann ein Gespräch. Sie fuhren aufwärts, als sich Fonty mit freilich abgemilderten Worten um den Chef besorgt zeigte. Zwei mitteilsame Herren standen einander zugewendet. Obwohl über die Denkschrift kein Wort fiel, wußten sie viel zu sagen. Etwas Unwägbares, das mehr war als wechselseitige Sympathie, fuhr mit ihnen. Und da ihr Gespräch nicht abriß, blieben sie eine gute Viertelstunde im Paternoster und waren sich näher, als Vater und Sohn einander vertraut sein können. Sie machten die Kehre im Dachboden, im Kellergeschoß mit und fanden, nachdem Fonty seine Besorgnisse abgeladen hatte, sogleich jenen zeitvergessenden Plauderton, der alles nur antippt und nichts ausläßt. Sie hätten sicher noch mehr Gesprächsstoff für diese ununterbrochene Auf- und Abfahrt gehabt, wenn nicht plötzlich Sicherheitsbeamte die Geduld verloren hätten und das taten, was ihnen eingeübt war: Sie zogen nach Fonty den Chef aus der Kabine. Der bedauerte den Zugriff und entschuldigte sich: »Schade, wir waren gut drauf. Überzeugt mich, Ihre Romantheorie. Müssen wir unbedingt fortsetzen, unser Gespräch, irgendwann …« Übrigens bekam Fonty einen Rüffel verpaßt, gleich nachdem man ihn aus der Kabine gezogen und abgetastet hatte. Doch diese sicherheitsdienstliche Ermahnung kümmerte ihn wenig, denn das Paternostergeplauder mit dem Chef wurde für ihn zum Beginn einer Freundschaft, die sich, trotz kurzer Dauer, bis zur liebevollen Zuneigung steigerte. »Eigentlich ist er ein durch übertriebenen Aktivismus behinderter Bücherwurm.« Das sagte Fonty zu uns, als er dem Archiv in aller Breite von seiner »rein zufälligen und doch wie vorbestimmten Begegnung« erzählte.. Anfangs habe er versucht, einige Bedenken wegen der gottserbärmlichen und nur Haß stiftenden Abwickelei loszuwerden, dann aber sei man, weil er von »Treibelschen Umtrieben« und »Treibelscher Happigkeit« gesprochen habe, auf die Romane des Unsterblichen gekommen. »Wohl deshalb hat der Chef seine unverbildete Neugierde auf Lesestoff bekundet. Schon wieder abgesichert und mit seinem Troß unterwegs, rief er mir, der ich mit nächster Kabine nach oben wollte, fast jungenhaft begeistert zu: ›Dieser Roman interessiert mich brennend, zum Beispiel die Frage, warum der Wilddieb den Förster erschießen muß …‹ Doch meine Antwort hat er kaum verstehen können, weil ich schon halbwegs nach oben entschwunden war.«
    Den Ausgang dieser Freundschaft nicht ahnend, amüsierte uns Fontys literarisches Abenteuer. Weil aber sein Archivbesuch diesmal kein Ende fand, wollten wir ihn, bevor er lästig wurde, mit Hinweisen auf unsere Alltagsarbeit abwimmeln. Jemand gab den Rat, die Begegnung mit dem Chef niedriger zu hängen. Was war schon Großes geschehen? Eigentlich hatte das Geplauder im Paternoster nur zur Folge gehabt, daß dank bloßer Neugierde des Chefs, erweckt durch die Erzählung »Quitt«, ein freier Mitarbeiter der Treuhandanstalt, den alle Welt Fonty nannte, mit einem seiner »Sorgenkinder« konfrontiert worden war.
    Wer kennt schon »Quitt«? Selbst wir behandeln diesen Zwitter wie nebenbei. Allenfalls müssen Anfragen aus dem Ausland – Frankreich, Amerika -beantwortet werden, die eher an der Entstehungsgeschichte als an der Frage »Warum muß der Wilderer den Förster erschießen?« interessiert sind. Meistens geht es um den Einfluß des heute völlig vergessenen Abenteuerschriftstellers Möllhausen und dessen einst erfolgreichen Roman »Das Mormonenmädchen«, also um die Verknüpfung zweier weit voneinander liegender Schauplätze. Und weil der Unsterbliche mehrmals Balduin Möllhausen im Jagdschloß Dreilinden begegnet ist, wo Prinz Friedrich Karl zu Beginn der achtziger Jahre Gelehrte und Dichter, vor allem aber militärischen Adel zu Tafelrunden geladen hat, erweist sich dieses Umfeld als einigermaßen ergiebig. Dreilinden gehört zu »Fünf Schlösser«, die etwa gleichzeitig mit »Quitt« entstanden sind. Achtmal

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