Ein weites Feld
zählte der Autor dieser Erzählung zu den geladenen Gästen, unter denen sich klingende Namen befanden: von Schlieffen, von Caprivi, von der Goltz, von Bonin, von Wangenheim, von Witzleben … Doch das und weitere Hinweise auf Einflüsse, die sich von Bodenstedt oder gar Karl May ableiten ließen, würden zu weit führen. Zwar nannte auch Fonty »Quitt« mißlungen, hielt jedoch diese Erzählung für immerhin so interessant, wie er die Kriminalnovelle »Unterm Birnbaum«, die gleichfalls von Mord handelt, als gelungen, aber uninteressant wertete. Zum besseren Verständnis des an sich einfachen Vorfalls fassen wir kurz zusammen: Ein sympathischer, doch dem Zwang der Obrigkeit trotzender Täter; ein unleidlich rechthaberisches Opfer, das zu obrigkeitlichen Schikanen neigt. Von Anbeginn ist der Leser auf selten des Wildschützen, der, wie zwangsläufig, zum Mörder wird. Da es dem Wilderer gleich nach der Ermordung des Försters gelingt, nach Amerika zu entkommen, bleibt die Tat lange ungesühnt. Er beginnt ein neues Leben zwischen Mennoniten und Indianern, wohnt in Hausgemeinschaft mit Angehörigen vieler Religionen, macht dort die Bekanntschaft eines anderen Mörders, erlebt die beginnende Liebe zu einem Mennonitenmädchen und findet schließlich den sühnenden Tod, woraufhin der Leser noch einmal zum Tatort, nach Schlesien und in die Gesellschaft Berliner Sommerfrischler zurückgerufen wird. So endet die Erzählung vom hartherzigen Förster Opitz und dem gegen Recht und Ordnung revoltierenden Wilderer Lehnert Menz. Man hätte dem Chef der Treuhand antworten können: Wo Haß gegen Härte steht, liegt das Motiv auf der Hand. Der Stoff zu »Quitt« wurde im März 85 vom Brieffreund Georg Friedlaender geliefert. Als Amtsrichter, der im Riesengebirge seinen Wohn- und Dienstsitz hatte, war er mit Mordfällen vertraut. 1890 kam die Erzählung in der »Gartenlaube« zum Vorabdruck, fand jedoch als spätere Buchausgabe, verlegt bei Hertz, nur wenige Leser. Weil aber der Unsterbliche anfangs noch hoffnungsvoll an Friedlaender zugunsten der »Gartenlaube« geschrieben hatte – »… aus der Schüssel, aus der 300.000 Deutsche essen, eß ich ruhig mit« –, sah sich Fonty angeregt, bald nach dem Paternostergeplauder einen Brief an Professor Freundlich zu schreiben. Nachdem er von seiner anhaltenden Untätigkeit im siebten Stockwerk berichtet hatte, kam er über allerlei Familiäres auf das Sorgenkind »Quitt« und also auf sein Gespräch mit dem Chef: »… und immer wieder, mehrere Vaterunser lang. Mein lieber Freundlich, Sie hätten sich schiefgelacht, wenn Ihnen unser ganz außerdienstliches Paternostergeflüster zu Ohren gekommen wäre. Sieben-, wenn nicht neunmal sind wir vom Boden zum Keller, von zuunterst nach hochhinauf geruckelt, ohne Scheu vor den zugegeben immer ein wenig unheimlichen Kehren. Anfangs war nur von hausinternen, das heißt von ziemlich prekären Fällen die Rede, dann ging es um Mord. Sie werden sich sagen: wie naheliegend. Und in der Tat: dieser Wechsel von Thema zu Thema bedurfte keiner Eselsbrücke. Sobald wir die Mordfälle ›Unterm Birnbaum‹ und ›Ellernklipp‹ mehr gestreift als erledigt hatten, kamen wir auf das zwanghafte Verhältnis zwischen Förster und Wilderer. ›Einer muß dran glauben‹, sagte ich meinem Chef, der einigermaßen belesen und ein erklärter Liebhaber Effis ist. Er sagte: ›Allerdings haben immer wieder dringliche Sanierungsfälle meine Leselust behindert. Und was hier zur Zeit läuft, läßt den Bücherfreund in mir total verkümmern.‹ ›Das nenne ich geistigen Selbstmord!‹ rief ich und war sogleich bei der Vielzahl gegenwärtiger Selbstmorde, denen zumeist soziale Not als Motiv unterstellt werden kann. Kam dann aber prompt auf den literarischen Selbstmord, sei es in ›Schach von Wuthenow‹, sei es in ›Graf Petöfy‹ und ›Stine‹. Danach Duelle! Ihm fiel sogleich der Schußwechsel Innstetten-Crampas ein. Weil er den Ehrenkodex zwar als lächerlich, doch ›für damalige Zeit als normal‹ ansah, mußte ich immer wieder versichern, daß Pistolero-Fälle wie in ›Cécile‹ oder ›Effi Briest‹, wenn nicht im Prinzip, dann aus Vernunftgründen vermeidbar gewesen wären; wie ja der Dröhnbeutel und Lachsack van der Straaten in ›L’Adultera‹ die, sagte ich, ›bürgerliche Größe‹ aufbrachte, den ehebrecherischen Rubehn nicht zu erschießen, vielmehr seiner Melanie jene Liebe, die ihm nicht gegönnt war, nach einigem Kollern zu gewähren. Gewiß,
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