Ein wilder und einsamer Ort
paar Tage?« Ich
inspizierte den Paß und legte ihn zu meinem in die Strohtasche, die ich
ebenfalls bei dem Straßenhändler erstanden hatte.
»Ich muß ja wohl bleiben, bis das hier
irgendwie geregelt ist.« Er verwies mit einer ausholenden Handbewegung auf die
Abflughalle.
»Ich verstehe nicht.«
»Sie streiken nämlich.«
»Was? O nein!« Ich erinnerte mich vage,
in San Francisco in der Zeitung etwas von einem möglichen Streik des
Flugbegleitpersonals der American Airlines gelesen zu haben, aber das war
letzte Woche gewesen, als ich noch nicht geahnt hatte, daß es mich betreffen
könnte, und ich hatte es nicht weiter beachtet. »Mit welcher Linie sind Sie
hergeflogen?«
»Continental. Aber die Firma hat einen
offenen Rückflug gebucht, weil nicht klar war, wann Sie hier auftauchen würden,
und jetzt sind alle Plätze von American-Passagieren besetzt, deren Flüge
gestern ausgefallen sind.« Er zuckte schicksalsergeben die Achseln. »Ist wohl
am besten, ich nehme mir ein Hotelzimmer und mache mich auf die Suche nach dem
nächsten Casino.«
Ich drehte mich um und sah zum
American-Schalter. Die Schlange reichte immer noch bis auf die Straße hinaus,
aber ich hatte erster Klasse gebucht; vor dem entsprechenden Schalterfenster
war die Schlange kürzer. Ich hob an, etwas zu dem Kurier zu sagen, mußte aber
feststellen, daß er in der Menge verschwunden war. Verdammt! Ich hätte seine
Hilfe brauchen können. Aber er ahnte natürlich nicht, wie kritisch die
Situation war; RKI teilte den Angestellten nur das mit, was sie wissen mußten.
Ich sah auf Habiba hinunter. Sie beobachtete mich, ernst und ein bißchen ängstlich.
Ich nahm sie wieder bei der Hand. »Keine Angst. Wir werden mit dem Mann am
Ticketschalter reden.«
Der Mann am Schalter war optimistisch.
»Die Maschine ist hier«, sagte er im weichen Sprachfluß der Inseln, »und wir
bemühen uns, eine Crew zusammenzustellen. Wenn das gelingt, startet Ihr Flug
pünktlich. Wenn nicht, werden wir Sie in einem nahe gelegenen Hotel
unterbringen — auf unsere Kosten natürlich.«
Ich krallte die Hand um die Kante des
Schaltertresens, kämpfte gegen die Panik an. Inzwischen mußten Schechtmann und
seine Leute dahintergekommen sein, daß ich mit Habiba Jumbie Cay verlassen
hatte; wie lange noch, bis sie erraten würden, was ich jetzt vorhatte? Wie
lange noch, bis sie den Flughafen absuchen, die Hotels abklappern würden?
»Ma’am? Alles in Ordnung?«
Es hatte keinen Sinn, es an dem
Schalterangestellten auszulassen; er sah so fertig aus, wie ich mich fühlte.
»Alles klar. Wann werden Sie wissen, ob der Flug geht?«
»Fragen Sie in einer Stunde noch mal
nach.« Er warf einen Blick auf unsere Pässe, stellte uns Tickets und Bordkarten
aus. Ich versuchte, das als gutes Zeichen zu nehmen.
Habiba ergriff meine Hand und trottete
mit gesenktem Kopf neben mir her, als wir zu einem zweiten Schalter gingen, um
unsere Flughafensteuer zu zahlen. Das war der Punkt, der mir Sorgen gemacht
hatte: Würden sie unsere Pässe genauer inspizieren und sehen, daß Habiba nie
eingereist war? Aber wenn jemand legal von einem Flughafen aus ausreist, geht
man davon aus, daß er auf demselben Weg eingereist ist; die Frau hinter dem
Schalterfenster nahm mein Geld, stempelte unsere Pässe und gab sie uns mit den
eingelegten Quittungen zurück.
Habiba klammerte sich an mein
Hosenbein. Ich guckte hinunter und sah, daß sie immer noch auf den Boden
starrte. »Hey«, sagte ich und hockte mich vor sie hin, »alles okay mit dir?«
Sie zuckte die Achseln.
»Weißt du, was? Wir brauchen was zu
essen. Dann wird es uns beiden bessergehen.«
Sie schien nicht allzu überzeugt,
nickte aber.
Ich nahm sie wieder an der Hand und
bugsierte sie zu der Treppe, die zum Restaurant führte. Hier war es ebenfalls
gerammelt voll, aber wir fanden einen Tisch in einer Ecke und bestellten
Cheeseburger. Es war heiß und stickig hier drinnen; die Deckenventilatoren
nützten wenig. Um uns herum ging es lautstark zu; manche Leute schienen die
Situation regelrecht zu genießen, andere, die vermutlich die ganze Nacht hier
verbracht hatten, waren dabei, sich heillos zu besaufen. Durch die Fenster, die
zum Rollfeld hinausgingen, konnte ich unsere Maschine sehen — eine 727, in
deren Umkreis verdächtige Ruhe herrschte.
Habiba blieb stumm, aß aber voller
Konzentration ihren Burger und ihre Pommes frites und fragte dann, ob sie ein
Eis haben könne. Ich zwang mich zu essen und trank drei Tassen Kaffee, aber
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