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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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und wie gründlich und
finanzkräftig wir sind. Bitte sehr, warnen Sie Ihren Freund. Längerfristig
nützt Ihnen das gar nichts. Warum ersparen Sie sich nicht eine Menge Ärger,
indem Sie mir das Kind übergeben?«
    Ich ignorierte diese Frage. »Mein
Fliegerfreund — woher wissen Sie von ihm?«
    Er schüttelte den Kopf und lächelte
wieder.
    Egal, wie er das mit Hy herausgefunden
hatte — seinen Namen wußte er jedenfalls nicht, sonst hätte er bemerkt, daß er
vorhin ausgerufen worden war. Und er hätte es sich bestimmt nicht nehmen
lassen, es mir jetzt unter die Nase zu reiben. Das war kein großer Vorteil,
aber immerhin etwas.
    Ich ahnte, wie Schechtmann und Hamid
dahintergekommen waren, daß wir die Florida Keys angeflogen hatten: Kenny, der
Taxifahrer, hatte unseren Besuch auf der alten Zuckerplantage doch nicht so
gleichgültig hingenommen, wie ich gedacht hatte. Er war uns durch den Dornwald
gefolgt, hatte Hy fragen hören, ob jemand mit auf die Keys wolle, und hatte
dann später über seinen Taxifahrerkollegen Eddie-die-Schnecke Frazier Kontakt
mit Schechtmann aufgenommen. In einem Touristengebiet, wo der Lebensstandard
der Einheimischen niedrig ist, wittern die Menschen die geringste
Profitmöglichkeit, und sie verkaufen alles, was ihnen zufällig unterkommt. Ich
hätte dem Geraschel dort im Dornwald doch mehr Aufmerksamkeit schenken sollen.
Aber ich würde aus diesem Fehler lernen und von jetzt an doppelt wachsam sein.
    Maynard sagte: »Warum sagen Sie mir
nicht einfach, wo die Kleine ist? Rücken Sie sie heraus, und fliegen Sie nach
Hause. Niemand will etwas von Ihnen oder Ihrem Freund.«
    Von wegen. Maynard mußte ein Trottel
sein, wenn er das wirklich glaubte.
    Ich studierte sein Gesicht: Falten in
der Augengegend, die auf lange, ermüdende Observierungsnächte schließen ließen;
Falten um den Mund, die von langen Jahren der Frustration sprachen. Trotz
seiner Prägedruck-Karte und dem Gerede von »seinen Leuten«, hatte ich das
deutliche Gefühl, daß seine Firma klein war und Klaus Schechtmann ein wichtiger
Klient, den er nicht enttäuschen wollte. Maynards trübbraune Augen studierten
mich auf dieselbe Weise. Ein guter Privatermittler muß ein guter Schauspieler
sein: Wir setzen einen täuschenden Gesichtsausdruck auf; wir lügen durch unsere
Körpersprache; wir ändern unsere Stimme, um in eine bestimmte Rolle zu
schlüpfen. Wir lügen, während wir scheinbar nichts als die Wahrheit sagen,
triefen vor Aufrichtigkeit, während wir die Falschheit in Person sind. Maynard
praktizierte das alles, und er machte es sogar ganz gut. Aber nicht gut genug,
um eine Schauspielerkollegin zu täuschen.
    Ich sagte: »Okay, wir kennen dieses
Metier alle beide. Tun Sie, was Sie tun müssen.«
    Er platzte ein wenig zu eifrig heraus:
»Sie übergeben uns das Kind?«
    »Nein.« Ich schob meinen Stuhl zurück
und stand auf. »Und jetzt gehe ich zu diesen Telefonzellen — gleich dort
drüben, wo Sie mich sehen können. Ich werde ein paar Gespräche führen. Längere
Gespräche, Sie können also getrost sitzen bleiben und Ihr Bier austrinken. Ach,
wissen Sie was, trinken Sie noch eins auf meine Kosten.« Ich kramte einen
Fünfdollarschein aus meiner Tasche und legte ihn auf den Tisch.
    Maynard sah erst den Schein an, dann
mich. »Was zum...«
    »Meinetwegen, observieren Sie mich nach
besten Kräften, Mr. Maynard. Aber zu meinen Bedingungen. Wenn Sie mir näher
kommen als, sagen wir mal, das Stück von diesem Tisch bis zu den Telefonzellen
dort drüben, rufe ich den Sicherheitsdienst. Ihre Ermittlerlizenz für den Staat
Florida gibt Ihnen nämlich nicht das Recht, Frauen zu belästigen oder zu
terrorisieren.«
    Ich machte wirkungshalber eine kleine
Pause und setzte dann hinzu: »Wie Sie selbst schon sagten — solche Scherereien
können Sie gar nicht brauchen.«
     
     
     
     

22
    Als erstes rief ich Greg an. »Was Neues
wegen Adah Joslyn?«
    »Nein. Sharon...«
    »Keine weiteren Mitteilungen im Web?«
    »Nichts. Wo...«
    »Ich melde mich wieder.«
    Kent Maynard trank sein Bier aus und beobachtete
mich mit zusammengekniffenen Augen. Ich winkte ihm zu. Er verzog das Gesicht.
    Einen Moment lang rang ich mit mir, ob
ich Renshaw anrufen und ihn bitten sollte, uns aus dieser Klemme
herauszuhelfen, aber dann entschied ich mich dagegen. Renshaws Methoden waren
meistens sehr riskant, und der Teufel sollte mich holen, wenn ich Habiba
dadurch in Gefahr brachte. Außerdem hatte ich ja den besten Mann von RKI in
telefonischer

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