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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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hat niemand mehr etwas von ihm gehört.«
    Niemand außer der Polizei, den Medien
und einer halben Million Hacker.
     
    Als ich am Sitz der Sonderkommission
angekommen war, meldete ich mich bei Ed Parkhurst und teilte ihm meine
Vermutungen bezüglich der Identität des Bombers mit. Obwohl ich es gar nicht
vorgehabt hatte, ließ ich in letzter Sekunde doch RKI aus dem Spiel und berief
mich statt dessen auf eine »anonyme Quelle« innerhalb des Konsulats. Es ging
mir nicht darum, Renshaw zu decken. Es ging mir auch nicht darum, die Firma zu
schützen, an der Hy maßgeblich beteiligt war. Es war einfach eine Sache meines
persönlichen Ethos: Ich hatte einen Vertrag unterschrieben, in dem ich ihnen
strikte Vertraulichkeit zusicherte. Mein Wort konnte ich nicht einfach brechen.
    Und außerdem gab mir dieser Anfall von
moralischer Integrität das Gefühl, mich wieder ein paar Schritte von der
schmalen Grenze zu entfernen, die mich von ihnen trennte.
    Parkhurst rief zwei Beamte herein und
befahl ihnen, Latif ausfindig zu machen. »Wenn er unser Mann ist, hängt er noch
eine Weile vor seinem Computer«, sagte er. »Spüren Sie den Kerl so schnell wie
möglich auf, dann können wir ihn vielleicht überrumpeln.«
    Die beiden wirkten nicht allzu
optimistisch, als sie verschwanden, und ich konnte es ihnen nicht verdenken.
Sie hatten eine nahezu unmögliche Aufgabe am Hals.
    Parkhurst blieb an seinem Schreibtisch
sitzen, rieb sich das stoppelige Kinn und betrachtete mich mit kaum verhohlener
Abneigung. »Ich wollte Sie eigentlich aus dieser Sache raushalten, Ms. McCone«,
erklärte er schließlich. »Ich beziehe nicht gern Außenstehende in die
polizeiliche Arbeit ein, und schon gar nicht Personen, die nicht nach meinen
Spielregeln spielen. Der Bomber kann Sie nicht sehen; jedes beliebige Mitglied
der Sonderkommission könnte mit ihm verhandeln — und zwar wesentlich
effizienter.«
    Ich verbiß mir eine sarkastische
Bemerkung über die bisherige Effizienz der Sonderkommission und fragte: »Warum
beziehen Sie mich dann ein?«
    »Aus zwei Gründen. Erstens, weil der
Bomber darauf besteht, nur mit Ihnen zu kommunizieren. Das muß einen Grund
haben, und solange wir diesen Grund nicht kennen, können wir es nicht
riskieren, uns dieser Forderung zu widersetzen. Zweitens, weil er womöglich
eine Frage stellen wird, die nur Sie beantworten können — um Ihre Identität zu
überprüfen. Und wenn dieser Latif wirklich unser Mann ist, kommt noch ein
dritter Grund hinzu: Er kennt Sie persönlich und wäre daher in der Lage, an
irgendwelchen Formulierungsnuancen zu erkennen, ob Sie es sind oder nicht.«
    »Woher wissen Sie, daß Sie es wirklich
mit dem Bomber zu tun haben und nicht mit irgendeinem Witzbold?«
    »Er zeigt immer wieder die Kenntnis von
Details, die wir nie publik gemacht haben — aber das geht Sie nichts an. Noch
ein paar Verhaltensregeln: Lassen Sie auf keinen Fall durchblicken, daß Sie
wissen, wer er ist. Widersprechen Sie ihm nicht. Stellen Sie keine Fragen, sofern
es nicht klärungshalber unbedingt nötig ist. Spielen Sie sein Spiel mit, gehen
Sie auf all seine Forderungen ein, und seien sie noch so unverschämt. Lassen
Sie sich Anweisungen geben, dann sehen wir weiter.«
    »Wird er nicht befürchten, daß Sie ihn
aufzuspüren versuchen, indem Sie ihn möglichst lange online halten?«
    »Live-Discourse per Computer läßt sich
nicht zurückverfolgen wie ein Anruf, falls es das ist, was Sie meinen.
Mitteilungen auf den Boards werden registriert; auch seine sind registriert
worden, aber als wir endlich unsere Herausgabeverfügung hatten, mußten wir
feststellen, daß er das Paßwort einer Frau in Tennessee benutzt hat, die noch
nie vom Diplobomber gehört und den Online-Dienst schon seit einem halben Jahr
nicht mehr in Anspruch genommen hatte. Danach hat er sich noch andere Paßwörter
ausgeborgt. Jetzt, mit dem Live-Discourse, hat er die perfekte Methode gewählt;
sie hinterläßt keinerlei Spuren.« Parkhurst sah auf seine Uhr. »Also, dann
wollen wir mal.«
    Er führte mich in das Büro, das noch
vor zehn Tagen Adah gehört hatte: ein kleiner, hoher Raum, den die darin
versammelten zwei Frauen und sieben Männer endgültig zu einem
Klaustrophobiker-Alptraum machten. Sie wirkten alle müde und gereizt; die Luft
war total verqualmt, und auf allen waagerechten Flächen außer der
Schreibtischplatte standen Styroporbecher. Craig Morland saß am Schreibtisch,
vor sich ein Macintosh-Power-Book. Als Parkhurst und ich

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