Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
eine Besucherin schicken dürfe. Der Gedanke schien ihr zu
gefallen. Für sie sind Sie eine Mitarbeiterin unserer Firma, die sich
vergewissern möchte, daß sie mit den Sicherheitsvorkehrungen zufrieden ist.«
    Renshaw führte mich durch ein Tor und
die Zufahrt entlang; eine Tür ging vom Konsulat auf den kiesbestreuten
Parkplatz vor der Dreiergarage hinaus. Er klopfte, sprach leise mit dem hier
postierten Wachmann, und wir traten ein. An einer Waschküche und einem
Vorratskeller vorbei gelangten wir zu einer steilen Holztreppe. Das große Haus
war völlig still; auf den nackten Stufen schien jeder Tritt zu dröhnen. Im
oberen Flur schluckte der Orientläufer unsere Schritte. Renshaw ging zu einer
Tür, klopfte leise an und sagte: »So, jetzt sind Sie auf sich gestellt.«
    Eine Frauenstimme rief von drinnen
etwas Unverständliches. Ich interpretierte es als »Herein« und öffnete die Tür.
Die einzige Lichtquelle im Raum waren die Flammen eines Gaskaminfeuers. Dunkle
Vorhänge verdeckten die hohen Fenster, und die Luft war überheizt. Ein muffiger
Geruch schlug mir entgegen — jene Sorte Muff, die sich in leerstehenden Häusern
fängt, der man aber in bewohnten Zimmern eigentlich nicht begegnen sollte. Ich
konnte wenig erkennen, bis auf eine Gestalt, die im Schneidersitz vor dem
Marmorkamin auf dem Fußboden saß.
    Mavis Hamid war keineswegs so schön,
wie Khalil Latif behauptet hatte. Schmuddligbraunes Haar hing ihr über
Schultern und Rücken; es wirkte dünn und ungepflegt. Sie trug einen schwarzen
Morgenrock mit weißen Paspeln und war barfuß. Als sie sich mir zuwandte, sah
ich im Feuerschein ein bleiches, ovales Gesicht, verquollen und fleckig. In der
Hand hielt sie einen Stapel Karten, und vor ihr auf dem Boden lag eine
angefangene Patience. Ich sah weder Glas noch Flasche, aber im Nähertreten roch
ich Alkoholdunst; er ging von ihr aus wie Parfümduft.
    »Mrs. Hamid?«
    »Nennen Sie mich Mavis. Ich kann diesen
Namen nicht leiden; es ist der Name meiner Schwiegermutter, nicht meiner. Mr.
Renshaw sagte, Sie wollten mich wegen irgendwas sprechen?«
    »Ja. Wir möchten uns vergewissern, daß
Sie mit unseren Sicherheitsmaßnahmen zufrieden sind. Sie wurden ja seit dem
Anschlagsversuch verschärft.«
    »Die Sicherheit ist okay«, sagte sie
vage und gestikulierte in Richtung eines Zweiersofas, das schiefwinklig zum
Kamin stand. »Setzen Sie sich. Möchten Sie was trinken?«
    Ich wollte nichts, aber sie
offensichtlich, also sagte ich: »Danke, gern.«
    Sie stand auf, wobei sie ins Stolpern
kam, weil sie auf den herabschleifenden Saum ihres Morgenrocks trat, und
strebte zu einer Tür, die vermutlich in ein Bad führte. Meine Augen hatten sich
jetzt an das Dunkel gewöhnt, und ich sah mich um. Das Zimmer war groß und
überladen dekoriert mit mächtigen Goldrahmenspiegeln und einer Blumentapete,
passend zu den Volants über den dunkelblauen Vorhängen. Das Bett ertrank
ebenfalls in Volants und Rüschen und trug einen Baldachin; der Toilettentisch
mit dem dreigeteilten Spiegel sah aus, als hätte er einen Reifrock an. Der
Platz vor dem Kamin war mit Möbelstücken vollgepfropft: außer dem
Zweisitzersofa drängten sich hier eine Chaiselongue und zwei Lehnsessel. Aber
Mavis Hamid bevorzugte dennoch den Fußboden.
    Sie kam wieder herein, in den Händen
zwei Gläser, die bis zum Rand mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt waren. Eis
war keins darin. Ich nahm das eine Glas und roch daran. Wodka. Warum bildeten
sie sich immer ein, Wodka sei geruchlos?
    Mavis hob mir ihr Glas mit einem
»Cheers« entgegen und trank. Dann ließ sie sich wieder auf dem Fußboden nieder,
stellte das Glas ab und griff nach dem Kartenstapel. »Patience. Das entspannt
mich. Vor ein paar Jahren hatte ich die normale Version satt, also habe ich sie
umgekehrt — zuerst die Könige statt der Asse — und noch einen Haufen Regeln
dazu erfunden. Meine Schwiegermutter hat gesagt, das ginge nicht. Ich habe der
alten Hexe gesagt: ›Ich kann machen, was immer mir paßt, das hier ist mein
System, hier mache einmal ich die Spielregeln.‹«
    Ich hatte auf ihre Art zu sprechen geachtet:
Sie nuschelte ein bißchen, wirkte aber im ganzen klar und munter, wenn auch ein
bißchen sprunghaft. Was mir noch auffiel, waren ihr offenkundiger Affektmangel
— sie hatte keinerlei Reaktion gezeigt, als ich den Bombenanschlag erwähnt
hatte, dem ihr Kind beinahe zum Opfer gefallen wäre — und ihre unverhohlene
Abneigung gegen Malika Hamid. An letzterer ließ sich

Weitere Kostenlose Bücher