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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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und einen
Forty-Niner-Wimpel. Auf einem postkartengroßen Foto posierte eine noch ziemlich
kleine Habiba schüchtern neben einem Donald Duck in Disneyland.
    In einem Geschenkkarton, den
Dschungeltiere zierten, fand ich interessantere Dinge: ein Foto von Mavis, auf
dem sie mit einem breiten Lächeln in die Kamera guckte und ihren Gedichtband
hochhielt; sie war hübsch gewesen, fast schon schön, ehe der Alkohol seinen
Tribut gefordert hatte. Ein anderes Foto zeigte sie am Strand, Hand in Hand mit
einem gutaussehenden Mann, ein dunkler Typ, vermutlich Dawud Hamid. Ein
gestelltes Studiofoto der jungen Familie aus Habibas Kleinkindzeit bestätigte,
daß es sich um ihn handelte. Hamid hatte eine hohe Stirn, volle, sinnliche
Lippen und üppiges, wellig-dunkles Haar; das quadratische Gesicht und die
kräftige Statur waren ein Erbteil seiner Mutter. Seine Kopfhaltung wirkte
stilisiert, als hätte er sie oft vor dem Spiegel geübt; sein Blick war von
düsterer Intensität. Auf beiden Bildern schaute er direkt in die Kamera,
kommunizierte mit ihr, während Mavis ihn mit unverhohlener Bewunderung ansah.
    An der Art, wie jemand für ein Foto
posiert, kann man viel über den betreffenden Menschen und sein Verhältnis zu
anderen ablesen. Hamids Pose sagte mir, daß er stolz auf sein Äußeres war, um
seine Wirkung auf Männer wie auf Frauen wußte und sie jederzeit einsetzen
würde, um zu bekommen, was er wollte. Und sie sagte mir, daß er seine
Interessen allemal über die seiner Frau und seines Kindes stellte.
    Nachdem ich mir Hamids Züge eingeprägt
hatte, legte ich die Fotos wieder in den Karton und klappte die Sitztruhe zu.
    Bevor ich das Zimmer verließ, sah ich
mich noch ein wenig um. Aus dem Wandschrank schien nichts zu fehlen, aber er
war so vollgestopft mit Kleidungsstücken — darunter auch eine ganze Reihe
pastellfarbener Rüschenkleidchen, die Habiba garantiert haßte —, daß ich es
nicht sicher sagen konnte. Im angrenzenden Bad fand ich eine noch feuchte Zahnbürste
und ein Nachthemd an einem Haken hinter der Tür. Ich prüfte alle üblichen
Verstecke, in der Hoffnung, auf weitere Schätze zu stoßen, fand aber nichts.
    Zeit, mich darum zu kümmern, was unten
vor sich ging.
    Der einzige Mensch in der Empfangshalle
war der diensthabende RKI-Mann. Ich wies mich aus und fragte nach dem
Einsatzteamleiter. Er zeigte auf die Bibliothek. Ich klopfte und trat ein, ohne
eine Aufforderung abzuwarten.
    Malika Hamid saß in steifer Haltung auf
dem Sofa. Die Atmosphäre im Raum war hochgradig geladen. Ein Mann in einem
RKI-Blazer mit einem Namensschildchen, auf dem »S. Long« stand, hatte sich
hinter einem der Sessel postiert, als suchte er Schutz vor dem Zorn der
Konsulin, und Khalil Latif lehnte wieder vor Mr. Ed. Sobald Malika Hamid mich
sah, runzelte sie die Brauen, als sei ich ein weiteres Kreuz, das sie zu tragen
hatte. Hätte ich sie nicht schon wirklich wütend erlebt, hätte ich ihr dieses
Theater abgenommen.
    Ich erklärte Long, wer ich war, und
fragte: »Haben Sie mit Mr. Renshaw gesprochen?«
    »Er ist noch in Irvine, aber die
Besprechung ist so gut wie abgeschlossen, und der Firmenjet steht auf dem
John-Wayne-Airport bereit. Er müßte in« — er sah auf seine Armbanduhr — »circa
zweieinhalb Stunden hier sein.«
    »Was ist mit der Polizei?«
    »Keine Polizei — Standardprocedere. Wir
warten auf eine Lösegeldforderung, und wenn sie kommt, gehen wir drauf ein und
befreien die Geiseln.«
    Anders als andere internationale
Sicherheitsfirmen, die wegen der Versicherungsauflagen ihrer Klienten
verpflichtet waren, Entführungen sofort dem FBI zu melden, hatte RKI einigen
Spielraum. Hier waren die Klienten zumeist am Rand der Legalität angesiedelt
oder extrem verletzlich, oder sie zogen es aus anderen Gründen vor, sich lieber
auf ihre Sicherheitsfirma zu verlassen als auf Versicherungen. RKI operierte
unabhängig von den Polizeiorganen; die Firma nutzte ein juristisches
Schlupfloch, demzufolge Anzeigeunterlassung bei Entführung sowie in gutem
Glauben unternommene Versuche, die Freilassung des Opfers zu erwirken, nicht
strafbar waren. Ich konnte ihre Methode nicht so ganz billigen — zu riskant für
meinen Geschmack —, mußte aber zugeben, daß sie meistens funktionierte.
    Long setzte hinzu: »Unsere
Überwachungsanlage ist installiert, und unser Top-Mann auf diesem Gebiet wird
gerade aus Denver eingeflogen. Unsere Leute klappern die ganze Nachbarschaft
ab, um festzustellen, ob jemand irgend etwas bemerkt hat.

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