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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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hohe Adrenalinpegel
dämpfte meinen Appetit so effektiv wie eine Straße Koks. Connors merkte nichts
und aß gierig; er hatte mit seinem Gewissen gerungen und gesiegt.
    Als wir wieder in Connors Apartment
waren, checkte ich meine Reisetasche durch. Nichts drin, woran ich wirklich
hing, und das war gut so, denn die Tasche würde ich opfern müssen. Ich zog den
Reißverschluß zu und trug sie hinüber ins Wohnzimmer. »Kann ich das hier
stehenlassen?« fragte ich.
    Connors nickte und verstaute die Tasche
in einem Wandschrank. »Alles klar?«
    »Ich glaube schon.«
    »Diese Kleider sind nicht gerade zum
Schwimmen geeignet.«
    »Ich habe meinen Badeanzug drunter.«
    »Dann kann’s ja losgehen.«

 
     
     
    1000 Fuß über dem Karibischen Meer

24.
Mai, 22 Uhr 43
     
     
    Die L4 Buccaneer brummte über dem
mondglitzernden Wasser nach Süden. Dunkelheit umfing uns, und das laute
Motorgeräusch machte jede Unterhaltung unmöglich.
    Ich saß hinten. Ich war zunächst vorn
auf den Passagiersitz gestiegen, hatte ostentativ an der Sitzverstellung
herumhantiert und dann erklärt, es sei besser, wenn ich mich vor der langen
Schwimmstrecke noch ein bißchen ausstrecken könne. Er hatte das ohne weiteres
geschluckt.
    Ich begann mit meinen Vorbereitungen,
wobei ich mich ganz langsam bewegte, damit ihm nichts auffiel. Du liegst gut in
der Zeit, sagte ich mir. Nur nichts überhasten.
    Nichts überhasten und nicht mit den
Gedanken vorauseilen. Konzentrier dich ganz auf diesen einen Schritt und dann
auf den nächsten.
    Als ich soweit war, beugte ich mich
vor. Tippte Connors auf die Schulter und fragte über Kopfhörer: »Wie lange noch
bis Marlin Landing?«
    »Zehn Minuten etwa.«
    Perfektes Timing. »Okay«, sagte ich,
»wir ändern unsern Kurs.«
    »...Was?«
    Ich hob die Pistole, die ich vorsichtig
aus der wasserdichten Verpackung geschält hatte, und rammte sie ihm in die
Stelle zwischen Hinterkopf und Nacken. »Das Ding ist geladen, und ich bin
bereit, Gebrauch davon zu machen. Tun Sie genau, was ich sage.«
    Seine Gesichtszüge schalteten auf
Alarm. »Was soll das, verdammt noch mal? Sind Sie verrückt geworden?«
    »Ich bin im Vollbesitz meiner geistigen
Kräfte, im Unterschied zu Ihnen und Zeff Lash, als Sie den Plan ausgeheckt
haben, mich ans Messer zu liefern. Sie haben wohl gedacht, es würde einen
ganzen Berg Spielschulden tilgen, wenn Sie Klaus Schechtmann und Dawud Hamid
einen Gefallen täten.«
    Er wandte jäh den Blick ab. Das und
sein Schweigen waren mir Bestätigung genug.
    Meine Wut flammte wieder auf. Ganz
ruhig bleiben, ermahnte ich mich.
    Ich sagte: »Unser neuer Kurs ist
Nord-West. Rendezvous Bay. Verstanden?«
    »...Ja.«
    »Gut. Gehen Sie auf den neuen Kurs und
weichen Sie nicht davon ab. Ich merke es, wenn Sie es versuchen. Hy hat
vielleicht nichts davon gesagt, aber ich fliege selbst.«
    Connors murmelte etwas
Unverständliches. Zweifellos irgendein ordinärer Fluch. Er leitete die
Kursänderung ein, und wir schwenkten über die eine Tragfläche ab.
    Connors schwieg eine ganze Weile, aber
schließlich siegte seine Neugier. »Warum Anguilla?«
    »Ich glaube nicht, daß Sie das wirklich
hören möchten.«
     
     
     
     

18
    Als ich Connors das letztemal sah,
versuchte er gerade, die anguillanische Polizei davon zu überzeugen, daß er
nicht wisse, wie das Päckchen Kokain unter den vorderen Passagiersitz seines
Wasserflugzeugs gekommen sei. Die amerikanische Touristin, die per Telefon
gemeldet hatte, ihr Charterpilot habe vor, das Rauschgift an diesem Abend über
die Rendezvous Bay einzuschmuggeln, wurde der Obhut des Reverend Gadieux von
der nahen Siebenten-Tags-Adventistengemeinde übergeben.
    Gadieux, ein großer, streng wirkender
Mann, schwieg, als wir das Polizeirevier hinter uns ließen. Ganz offensichtlich
mißbilligte er Reginas Methode, Connors aus meinem Leben verschwinden zu lassen
und an einen Ort zu befördern, wo er keinen Kontakt mit irgend jemandem auf
Jumbie Cay aufnehmen konnte. Ich dagegen fand, daß Cam Connors längst nicht
hart genug dafür bestraft wurde, daß er vorgehabt hatte, mich Schechtmann und
seinen Leuten auszuliefern. Am Ende würde wahrscheinlich nicht einmal Anklage
gegen ihn erhoben werden. Es gab keinen echten Beweis dafür, daß das
Drogenpäckchen seins war; nur meine verschmierten Fingerabdrücke befanden sich
auf dem Beutel, den Regina Anfang des Jahres einem Flüchtling aus Mittelamerika
abgenommen hatte; und da ich die Insel wieder verließ, würde es auch

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