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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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keinen
Zeugen gegen ihn geben.
    Gadieux fuhr auf einer zweispurigen,
asphaltierten Schnellstraße zur Westseite der Insel — auf der linken Fahrbahn,
denn Anguilla war britisch. Wir kamen durch kleine Ansiedlungen, die um diese
Zeit weitgehend dunkel waren; ich erkannte kaum etwas von der Umgebung und war,
ehrlich gesagt, auch nicht scharf darauf. Diese Insel war für mich nur das
Sprungbrett nach Jumbie Cay.
    Schließlich bogen wir in eine
unbefestigte Nebenstraße ein; im Scheinwerferlicht zog sie sich durch niedrigen
Sträucherbewuchs schnurgerade in Richtung Meer. Ganz am Ende sah ich ein paar
Lichter, und als wir näher herankamen, hörte ich Musik — nicht den hämmernden
Rhythmus, an den ich mich inzwischen gewöhnt hatte, sondern Jazz mit einem
Hauch Calypso. Gadieux hielt vor einem flachen weißen Holzhaus, wo eine Reihe
Fahrzeuge standen.
    »Er erwartet Sie«, sagte er. Und nach
kurzem Zögern setzte er hinzu: »Viel Glück.«
    Ich dankte ihm, stieg aus und ging über
sandigen Boden zu dem Haus. An der Seite war ein von Gitterspalieren
geschützter Durchgang; ich folgte ihm und sah, daß er zu einer windschiefen
Bohlenterrasse mit Blick aufs Meer führte. Darunter brachen sich die Wellen
sachte an einem felsigen Strand; der Wind wehte warm und stetig und netzte
meine Haut mit Salzwasser. Licht fiel aus Fenstern auf die Terrasse und drang
durch die Ritzen der Tür zu meiner Linken.
    Als ich anklopfte, brach die Musik jäh
ab. Eine Männerstimme sagte: »Okay, wir machen morgen abend weiter. Das
Geschäft wartet.«
    Stimmengemurmel, Stühlerücken, dumpfe
Geräusche. Die Tür ging auf, und ein Mann mit hagerem Gesicht und sehr dunkler
Haut, einem blauen Piratenkopftuch und einem goldenen Kreolohrring schaute
heraus. Hinter ihm verstauten zwei weitere Männer und eine Frau Instrumente in
dazugehörige Koffer.
    »Ms. McCone?«
    »Ja. Mr. Fisher?«
    »Lloyd.«
    »Sharon.«
    Nachdem das geklärt war, ließ er mich
ein. Die Musiker zwängten sich mit ihren Instrumenten an mir vorbei und nickten
mir grüßend zu. Lloyd sagte: »Kleiner Nebenjob. Am Wochenende spielen wir immer
in den Touristenschuppen.«
    »Und unter der Woche?«
    »Mache ich mit Touristen Bootstouren.
Besucher aus Ihrem Land sind Anguillas ökonomische Basis. Das hier ist nicht
mehr die verschlafene kleine Insel, die ich aus meiner Kindheit kenne.«
    »Sie sind von hier?« So hörte er sich
nicht an.
    »Hier geboren, aber meine Familie zog
nach Florida, als ich acht war. Vor ein paar Jahren, als die Baulöwen Fort
Myers endgültig zugrunde gerichtet hatten, beschloß ich, hierher zurückzukehren
— gerade rechtzeitig, um mit angucken zu können, wie sie Anguilla zugrunde
richten.«
    »Ist es so schlimm?«
    »Auf dem Weg dahin. Aber kommen wir zur
Sache. Sie wollen zum alten Zebediah Altagracia.«
    »Ja. Seine Tochter sagte mir, Sie
kennen sich dort drüben aus.«
    »Stimmt. Der Doktor des Alten wohnt
hier auf Anguilla; ich bringe ihn ab und zu für einen Hausbesuch rüber.«
    »Altagracia ist krank?«
    »Nein. Die Hausbesuche sind nur ein
Vorwand fürs Kartenspielen.«
    Ich sah auf die Uhr. Schon nach eins.
»Wie lange brauchen wir bis dorthin?«
    »Nicht sehr lange. Ich habe ein
PS-starkes Schnellboot.«
    »Ich brauche ein paar Stunden
Dunkelheit für mein Unternehmen.«
    »Die werden Sie haben, aber wir sollten
uns jetzt besser auf den Weg machen.«
    Ein ganzes Stück vor der Küste stellte
Lloyd den Motor des Schnellboots ab. Alles was ich erkennen konnte, waren
orangefarbene Lichter, die unregelmäßig blinkten — weil im Seewind schaukelnde
Äste den Blick versperrten, vermutete ich. Er sagte: »Ich könnte näher
ranfahren, aber das würde womöglich die falschen Leute alarmieren. Können Sie
den Rest schwimmen?«
    Ich taxierte die Entfernung mit bloßem
Auge. »Ja.«
    »Okay. Halten Sie auf die Lichter zu;
sie gehören zu Zebs Terrasse. Wenn Sie näher dran sind, werden Sie einen
Betonpier sehen, der auf den Felsen verankert ist. Dort ist die Strömung
ziemlich stark; Sie müssen stramm schwimmen, sonst werden Sie am Pier vorbei
nach Süden gezogen. Wenn Sie den Pier erreichen, passen Sie auf: Er ist
bröcklig und stellenweise ziemlich scharfkantig. Etwa auf der Hälfte klafft ein
Loch, wo er auseinandergebrochen ist; darüber liegen Planken und ein Brett,
also Vorsicht. Am Ende des Piers geht ein Pfad durch einen Palmettohain; er
endet an der Terrasse. Zeb erwartet Sie auf der Veranda.«
    Während er sprach, schlüpfte ich aus
meinen

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