Ein wilder und einsamer Ort
hier?«
»...Ja.«
Mr. Altagracia schob sich zwischen
Schechtmann und uns.
»Bist du froh, daß du bei Onkel Klaus
und bei deinem Dad sein kannst?«
Ihre Brauenpartie zuckte. Sie sah jetzt
auf ihren Vater. Er hatte in keiner Weise auf ihr Kommen reagiert, stand immer
noch mit dem Rücken zu uns, verfolgte jedoch alles in der Fensterscheibe. Ich
veränderte meine Position ein klein wenig und drehte Habiba so, daß er nur ihr
Profil sehen konnte.
»Ich weiß, daß du deinen Dad vermißt
hast«, sagte ich. »Du hast es mir erzählt, weißt du noch? Du hast mir den
Papageienarmreifen gezeigt, den er dir geschenkt hat, und dann haben wir eine
Spazierfahrt gemacht, und Mr. Renshaw hat die Lady wieder in ihr Schloß
zurückgeleitet.«
»Ich weiß es noch.«
Schechtmann drängte sich vor Mr.
Altagracia. »Miss McCone, bitte bleiben Sie beim Grund Ihres Kommens.«
Habiba zog den Kopf zwischen die
mageren Schultern.
»Dann kann ich deiner Omi also sagen,
daß es dir hier gefällt?« fragte ich sie.
»...Ja, sagen Sie Omi, es geht mir
gut.«
»Da bin ich sehr froh.«
Sie entzog mir ihre Hände, schlang die
Arme um meinen Hals und drückte mich. Mr. Altagracia hustete laut, als sie
flüsterte: »Hilf mir!«
»Sicher. Natürlich vermißt du sie. Aber
vielleicht kommt sie dich ja bald mal besuchen.«
Schechtmann kam auf uns zu. Ich löste
Habibas Arme von meinem Hals und schob sie zurück, bis sie mir direkt in die
Augen sah.
Ich zwinkerte.
Sie begann zu lächeln. Biß sich auf die
Unterlippe.
Ich sagte: »Du weißt ja gar nicht, was
wir uns alle für Sorgen gemacht haben — deine Omi, Mr. Latif, Mr. Renshaw und
ich. Weißt du, wie ich hierhergekommen bin? Ich bin von einem Boot aus zum
Strand geschwommen, dort wo bei Ebbe die Tümpel sind, gleich hinter der Mole.
Hast du die Tümpel schon gesehen?«
»Meine neue Kinderfrau hat sie mir
heute morgen gezeigt.«
Gott sei Dank. Schechtmann stand jetzt
genau hinter ihr und griff wieder nach ihren Schultern. »Das freut mich. Ich
habe sie noch nicht gesehen. Als ich um halb fünf angekommen bin, war Flut und
alles stand unter Wasser. Ich schätze, morgen früh um halb fünf kann man sie
wieder sehen.«
Sie biß sich wieder auf die Lippe.
»Glaub schon.« Und dann gähnte sie sehr überzeugend.
Ich ließ ihre Hände los. Stand auf und
lächelte sie an. »Tja, wo ich jetzt weiß, daß es dir gutgeht, werde ich wieder
heimfliegen und deiner Omi sagen, daß du hierbleiben möchtest. Soll ich das
tun?«
»Ja, bitte.«
»Sag es mir noch mal — bist du wirklich
glücklich hier?«
»Ich bin ganz, ganz glücklich.« Sie hob
das Handgelenk und sah auf ihre Garfield-Uhr. »Onkel Klaus, ich bin müde. Darf
ich jetzt wieder ins Bett?«
Als sie Hand in Hand hinausgingen,
drehte Habiba sich noch einmal um und zwinkerte mir zu.
19
Zebediah Altagracia hielt an und
schaltete das Licht des Jeeps aus. Wir waren etwa eine halbe Meile von dem
Anwesen entfernt auf einem sandigen Weg, der durch offenes Gelände zum Meer
führte.
»Weiter kann ich nicht fahren«, sagte
er leise. »Noch ein paar Meter, dann geht die Straße in einen Fußweg über.
Folgen Sie ihm, bis Sie eine Gruppe Mangroven sehen, halten Sie darauf zu. Sie
stehen genau über dem Strand mit den Tümpeln.«
»Dann ist jetzt wohl der Moment des
Abschieds gekommen. Ich kann Ihnen für Ihre Hilfe gar nicht genug danken.«
»Ich habe Ihnen zu danken. Ihr Problem
war meiner Tochter Anlaß, ihr langjähriges Schweigen zu brechen.«
»Sie mag Sie, wissen Sie das? Sie ist
nur deshalb weggegangen, weil sie es nicht dahin kommen lassen wollte, daß sie
Sie wegen Ihrer Art zu leben gehaßt hätte.«
»Und ich mag sie auch, auf meine Weise.
Ich war kein besonders guter Vater und hätte wahrscheinlich überhaupt nie einer
werden sollen. Aber leider können die wenigsten von uns der Neugier
widerstehen, was wohl aus ihnen hervorgehen könnte.« In seinem Lächeln lag
etwas Melancholisches. »Nun ja, nach dieser Nacht wird Regina vielleicht
merken, daß ich gar nicht so ein herzloser alter Schuft bin.«
»Das weiß sie schon.« Ich hielt im
Aussteigen inne. »Wenn Schechtmann und seine Leute merken, daß Habiba weg ist,
werden Sie dann Ärger mit ihnen kriegen?«
»Oh, das will ich doch hoffen.«
»Ich meine es ernst.«
»Junge Frau, sorgen Sie sich nicht um
mich! Dieser alte Schweinehund. hat im Lauf der Jahre etliche Tricks
gelernt.«
Das glaubte ich wohl.
Die hohen Mangroven wuchsen, zum Meer
hin
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