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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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gekannt, er hatte sie nie empfunden, bis zu jenem ersten Mal, als er die beiden in Boaty Glass’ Haus aus der Tür hatte kommen sehen, als sie in der Küche standen und so taten, als wäre nichts geschehen. Während er sich die Comics angeschaut hatte, hatten sie sich in andere Menschen verwandelt, und irgendwie wusste er, auch er würde irgendwann so werden wie die Menschen, in die sie sich verwandelt hatten, irgendwann, wenn etwas Bestimmtes geschah. Er wusste nicht, was dieses Bestimmte war, er wusste nicht, wie lange es noch dauern würde, er wusste nur, es würde geschehen, und das machte ihn traurig, weil er plötzlich das Gefühl hatte, alles, was bis dahin noch passieren würde, sei auch nicht wichtiger als die albernen Bilder von Enten im Piratenkostüm, die er sich angesehen hatte.
    Auf einmal wurde er sich des Körpers bewusst, in dem er steckte, und wusste, dass auch dieser Körper sich irgendwann in etwas anderes verwandeln würde. Er hoffte, es würde ein Körper sein wie der von Charlie  – zäh, muskulös, geschmeidig, nicht groß, ganz anders als der seines Vaters. Ein Körper wie der von Will schien ihm viel zu schwer zu sein, um sich darin wohl zu fühlen, denn er schleppte viel zu viel Ballast mit sich herum.
    Sein Vater war ganz rund und warm; Charlie hingegen war wie ein Holztisch: Er bestand nur aus harten Oberflächen.
    Sam wurde sich nicht nur seines Körpers bewusst, er bekam auch Angst davor. Er schien ihm so zerbrechlich, so klein, so vergänglich. In ihm gingen Dinge vor, die er nicht verstand. Er hörte Geräusche, die Geräusche seines Körpers, der arbeitete wie ein kleiner Zug, der wie geschmiert über die Gleise fährt. Er wusste nicht, wie das alles passierte.
Er wusste nicht einmal, welches die richtigen Fragen gewesen wären, die er hätte stellen können, ebenso wenig wie er wusste, wen er fragen sollte. Seine Mutter nicht. Und auch seinen Vater nicht. Und obwohl er wusste, dass Charlie ihm alles sagen würde, wusste er gar nicht, wonach er ihn fragen sollte.
    Doch Sam schlief nicht mehr gut, und so wurde er unleidig. Immer war er müde, und das machte ihn den ganzen Tag über so wütend, dass er begann, mit seinen Eltern zu streiten, sich wie ein Kleinkind zu benehmen und mit den anderen Jungen auf der Straße zu raufen. Er hänselte die Jüngeren, und die Älteren pöbelte er so lange an, bis sie sich wehrten. Dann kam er mit aufgeschürften Knien und einer blutigen Nase nach Hause, und seine Mutter säuberte seine Wunden, klebte ein Pflaster darauf, tröstete und hätschelte ihn, und sein Vater sagte, man müsse immer mehr austeilen als man einsteckte. Alma machte es traurig, wenn er mit anderen raufte, aber Will schien es irgendwie zu gefallen, als hätte der Junge sich den Mantel eines Erwachsenen übergezogen, der zwar noch viel zu groß für seinen schmächtigen Körper war, den er jedoch voller Energie und Zielstrebigkeit trug.
    Sam wusste nicht, warum, aber irgendwie war er immer wütend. Wütend und allein, obwohl er doch von Liebe umgeben war. Doch eines wusste er: Er wollte Charlie und Sylvan wieder und wieder und wieder sehen. Er wollte in ihrer Nähe sein, wollte sie riechen und die Geräusche hören, die sie machten, wenn sie sich berührten, wenn sie sich auszogen.
    Manchmal wünschte er sich, alles könne wieder so sein wie es gewesen war, als er und Charlie noch allein auf der Welt waren. Manchmal wünschte er, sie hätten nie vor Sylvan
Glass’ Haus angehalten, aber oft kam das nicht vor. Wenn er sie jetzt auf einer Decke irgendwo am Flussufer liegen sah, oder wenn er sie mit Schweiß auf der Stirn durch das Schlüsselloch des verriegelten Schlafzimmers hindurch beobachtete, während Jackie Robinson im Garten angebunden war und jaulte, dann wollte er sie sein, dann wollte er in dem unendlich schmalen Spalt zwischen ihren beiden sich bewegenden Körpern liegen, wollte ihre glatte Haut an seiner spüren, mit ihnen verschmelzen, bis er nichts mehr war und sie alles  – denn genau das waren sie für ihn. Alles.

22. KAPITEL

    A m Ende besaß sie alles, was er hatte, und alles, was er war. Jedes Stück Land, das Charlie gekauft hatte, außer dem, auf dem das Haus stand, in dem er wohnte, und dem Grundstück draußen am Fluss, gehörte rechtmäßig ihr. Er schenkte es ihr mit offenen Händen und offenem Herzen. Anders konnte er das nicht ausdrücken, was in seinem stummen Inneren vorging. Er schenkte ihr all das ohne die Hoffnung, etwas dafür

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