Ein Winter mit Baudelaire
Himmel erzählt er ihm dann die Geschichte vom Sternenprinzen und der Prinzessin der Morgenröte.
Hundekälte
»O Mann, so ne Kacke aber auch …«, bemerkt Ahmed, während er mit Philippe und Baudelaire zum Eingang des Ladens sieht, vor dem sie noch die letzte Nacht verbracht haben.
Seit mehreren Tagen weist ein Schild an der Tür auf den baldigen Beginn von Umbauarbeiten hin. An diesem Morgen sind tatsächlich Arbeiter mit ihren Gerätschaften aufgetaucht und haben den Eingangsbereich abgesperrt.
»Verdammter Hurendreck! Und dann hat’s in der Wettervorhersage auch noch geheißen, es kommt ein Wahnsinns-Kälteeinbruch …«
Philippe nimmt seinen letzten Schluck Kaffee.
»Ins Obdachlosenheim gehe ich jedenfalls nicht mehr.«
»Moment mal, hast du gemerkt, wie arschkalt es heute Morgen war? Kaltluft direkt aus Sibirien, hat meine Alte gesagt. Im Ernst, das wird schlimm!«
»Ich komme in diese Heime sowieso nicht mehr rein: Die erlauben keine Hunde.«
»Doch! Auf Le Fleuron wohl!«
Philippe runzelt die Stirn.
»Ach hör mir doch damit auf …«, versetzt er schließlich.
Er zerquetscht seinen Becher und wirft ihn in den Mülleimer.
»Aber wenn ich’s dir doch sage, ich hab vor zwei Wochen einen Bericht darüber gesehen. Das scheint wirklich genial zu sein. Das Ding wird von Malteserrittern geführt, verstehst du? Keine Bullen oder Scheißbeamten, nein, Ritter!«
»Hast du die Adresse?«
»…«
»Siehst du …«
»Moment!«
Ahmed nimmt sein Handy.
»Mouloud? … Du hörst jetzt mal eben auf, dir vor deinen bescheuerten Porno-Webseiten einen runterzuholen, okay? Tu mir lieber einen Gefallen, please … Los, nun mach schon! …«
Eine Minute und ein paar geschwisterliche Beschimpfungen später schnappt er sich einen Zettel und kritzelt etwas darauf.
»Okay, danke, Brüderchen … Kannst weitermachen …« Er legt auf.
»Hier: Quai de Javel. Im 15. Arrondissement, Telefon 01 45 58 35 35. Man muss vorher anrufen und einen Platz reservieren.«
»Ist das ein Drei-Sterne-Haus, oder was?«
»Das haben die jedenfalls in dem Bericht gesagt. Hier …«
Er hält Philippe den Zettel hin, aber der starrt nur darauf, anstatt ihn zu nehmen.
»Los, jetzt nimm schon! Dann gehst du hin oder gehst halt nicht hin, aber wenigstens hast du die Nummer.«
Die beiden Männer sehen sich an. Baudelaire bleibt weiter sitzen und beobachtet das Hin und Her der Arbeiter.
Philippe nimmt den Zettel und schiebt ihn in seine Hosentasche.
Reiseeinladung
Ahmeds Mutter und die Wettervorhersage haben sich nicht getäuscht. Angesichts der Jahreszeit waren die relativ milden Temperaturen der letzten zehn Tage trügerisch. Während sie sich nachts um den Gefrierpunkt bewegten, bei bedecktem Himmel sogar nur auf +2 oder +3 °C fielen, stieg das Quecksilber an sonnigen Nachmittagen manchmal auf bis zu +10 °C und bescherte den Menschen einige wirklich warme Stunden.
Doch an diesem Abend des 10. Februar um kurz vor halb sieben hat das Thermometer seinen Frühlingsallüren Ade gesagt und zeigt wieder deutliche Minuswerte an. Am Fuß des Kahns sind um die fünfzig Personen versammelt, die Hälfte davon in Begleitung eines Hundes. Junge oder weniger junge Menschen der unterschiedlichsten Herkunft. Manche grüßen sich, sprechen sich an, unterhalten sich. Andere, wie Philippe und Baudelaire, warten etwas abseits.
Insgesamt sind alle Anwesenden einigermaßen ruhig und sauber. Auf dem Quai de Javel gibt es keinen Nanar vom Trottoir und auch keine Russen, die lässig mit ihren Messern hantieren. Die Frau, mit der er am frühen Nachmittag gesprochen hat, als er sich auf Drängen von Bébère schließlichdazu durchgerungen hat, bei Le Fleuron anzurufen, hat dies mit großem Nachdruck betont.
»Kein Alkohol und keine Waffen an Bord. Wenn Sie gegen diese beiden Punkte der Hausordnung verstoßen, werden Sie unverzüglich und unwiderruflich an Land geschickt.«
Ihre Stimme war so fest wie gehärteter Stahl.
»Gut, Monsieur Lafosse, wir erwarten Sie also heute Abend mit Ihrem Begleiter. Um 18 Uhr 30 geht es an Bord. Seien Sie pünktlich.«
Ein langhaariger Dackel nähert sich. Baudelaire und der Dackel beobachten sich, umkreisen und beschnüffeln sich, während sie nervös mit den Schwänzen wedeln und neugierig jaulen.
»Warst du gestern Abend nicht hier?«
Der Dackelbesitzer, ein junger Mann mit einem kindlichen Gesicht, ist dazugekommen. Die beiden Hunde fangen an, miteinander zu spielen.
»Ich bin zum ersten Mal hier«, antwortet
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