Ein Wirbelwind namens Millie (German Edition)
wirklich schwer, ihre Hand wieder zurückzuziehen.
Es war immer noch zu früh, um ins Bett zu gehen. Millicent holte Häkelgarn und eine Häkelnadel aus ihrer Tasche. Franks Plan, Kleider für die gehobenere Schicht herzustellen, schien ihr sinnvoll. Doch leider kannten weder sie noch Isabelle die neueste Mode. Gestreift? Mit Blumen? Kariert oder mit Punkten? Gedankenverloren häkelte sie ein Stück vor sich hin, nur um es gleich wieder aufzuziehen.
Langsam wurde es spät. Mr Tibbs klopfte an der Tür. „Ich habe eine Tasse Tee für Sie, Miss. Wäre es in Ordnung, wenn ich den Wäschekorb aus dem Kinderzimmer jetzt schon mitnehme?“
„Ich hole ihn für Sie. Ich weiß nicht, ob Arthur fest schläft oder schnell wach wird.“ Einen Augenblick später kam sie mit dem geflochtenen Wäschekorb aus dem Kinderzimmer, aber der Steward war nirgends zu sehen. „Mr Tibbs?“
„Hier bin ich, Miss.“ Er kam durch die Tür des anderen Schlafzimmers. „Ich habe nur Mr Clarks Bett aufgedeckt. Das Kindermädchen der Haxtons hat gesagt, dass das jüngste Kind um Mitternacht immer eine Tasse Milch will. Soll ich auch eine für den Sohn von Mr Clark bringen?“
„Nein, danke. Arthur ist ja schon eineinhalb. In seinem Alter müssen die Kinder wieder einschlafen, wenn sie nachts wach werden.“
„In Ordnung.“ Er öffnete den Wäschekorb und hob den schweren Leinensack heraus, dann legte er einen neuen hinein. „Ich bringe die Wäsche für den Jungen morgen am späten Vormittag wieder vorbei.“
„Vielen Dank und gute Nacht.“
Millicent zog sich für die Nacht ins Kinderzimmer zurück und schloss die Tür hinter sich ab. Dann wartete sie, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Jedes Kleidungsstück raschelte beim Ausziehen, doch als sie ihre Turnüre ablegen wollte, öffnete sie aus Versehen auch den Verschluss für ihren Reifrock. Die ausladenden Metallringe fielen in schneller Folge aufeinander und klingelten dabei leise. Arthur merkte von alledem nichts.
Die Tür zur Kabine fiel ins Schloss. Langsame, schwere Schritte durchquerten das Wohnzimmer. Sie bewegten sich auf das andere Schlafzimmer zu. Das musste Mr Clark sein. Doch zu ihrer Überraschung wurden die Schritte wieder lauter und kamen auf ihre Tür zu. Immer näher.
Millicent hielt den Atem an, als die Schritte direkt vor ihrer Tür verstummten.
Kapitel 5
Obwohl Mr Tibbs zweimal bei ihm gewesen war, um ihm zu sagen, dass er Miss Fairweather in der Suite gesehen hatte, wie sie sich um den kleinen Arthur kümmerte, musste er sich doch selbst vergewissern. Er wollte sicherstellen, dass jemand da war, falls Arthur mitten in der Nacht aufwachte. Leise klopfte Daniel an die Kinderzimmertür.
„Ja, b-b-bitte?“
Ihre Worte klangen verängstigt. „Ich möchte nur sichergehen, dass mein Sohn nicht wieder alleingelassen worden ist, Miss Fairweather.“
„Arthur schläft friedlich in seinem Bett, Sir.“ Ihre Stimme war anfangs noch etwas zittrig, aber klang am Ende fest und zuversichtlich.
„Sehr gut. Dann gute Nacht.“
„Gute Nacht.“
Wäre die alte Miss Jenkin noch da, hätte Daniel sich ohne Bedenken zum Bibellesen ins Wohnzimmer gesetzt. Doch da Miss Fairweather nun im Nachbarzimmer war, beschloss er, das Wohnzimmer für den Rest der Reise nicht mehr für persönliche Zwecke zu nutzen. Wenn er sich daran hielt, würde er dem Schiffspersonal zeigen, dass es sich wirklich nur um eine geschäftliche Beziehung zwischen ihm und seinem Kindermädchen handelte. Um seine ehrbaren Intentionen zu unterstreichen, machte er seine Schlafzimmertür fest hinter sich zu.
Am nächsten Morgen wachte Daniel vom Gekicher seines Sohnes auf. Er lag im Bett und genoss den Moment. Zu Hause hatte das Kinderzimmer im dritten Stock gelegen – so weit von seinem Schlafzimmer entfernt, dass er morgens Arthurs Lachen nie hatte hören können. Wenn sie sich in Gooding, Texas, erst einmal häuslich eingerichtet hatten, würde er jeden Tag mit seinem Sohn verbringen können.
Daniel sprang aus dem Bett, zog sich schnell an und überlegte dabei, was er mit dem neuen Kindermädchen heute besprechen musste. Erwartungen, Vorlieben, Bezahlung – solche Dinge. Er würde gar nicht darauf eingehen, wie er sie gestern Abend erschreckt hatte. Arthurs Bedürfnisse waren jetzt das Allerwichtigste. Bevor er die Kabine für den Rest des Tages verließ, würde er ihr erklären, was er von ihr erwartete. Außerdem konnte er so ein paar Minuten mit Arthur verbringen. Mit diesen
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