Ein Wirbelwind namens Millie (German Edition)
hinzu: „Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass so viel Essen weggeworfen wird.“
Arthur griff nach ihrem kleinen Finger, aber Millicent redete weiter mit dem Steward. Sie hatte noch etwas auf dem Herzen. „Um ehrlich zu sein, Mr Tibbs. Meine Schwester und mein Schwager reisen in der dritten Klasse. Das Abendessen dort war ... knapp.“
Er starrte auf das Tablett. „Wir dürfen die Reste niemandem dort unten geben. Das führt sonst zu Unruhen und Schlägereien.“
Enttäuscht erwiderte sie: „Wahrscheinlich haben Sie recht.“ Sie schaute zur Kinderzimmertür. „Könnten Sie mir vielleicht sagen, wo und wie ich die Windeln waschen kann? Ich denke, die Windeln reichen nur noch bis übermorgen früh.“
Das Gesicht des Stewards nahm eine etwas grünliche Farbe an. „Ich soll mich eigentlich darum kümmern.“
„Es sei denn ...“ Millicents Herz schlug ihr bis zum Hals. „Sie bringen mir die nötige Seife und heißes Wasser und sagen mir, wo ich die Windeln trocknen kann. Ich bin gerne bereit, die Windeln selbst zu waschen, wenn Sie dafür sorgen könnten, dass Isabelle und Frank Quinsby die Reste unseres Essens bekommen. Oder vielleicht könnte Isabelle die Windeln waschen ...“
Er hob eine der Gabeln an und ließ sie dann wieder sinken. Danach schob er in Gedanken die halb volle Milchtasse etwas näher an die Teller. „Das darf ich nicht. Der Kapitän würde mich feuern.“
Millicent stand auf und nahm Arthur auf den Arm. „Es tut mir leid, Mr Tibbs. Auf keinen Fall möchte ich Ihre Stellung hier gefährden und Sie um Ihren Lebensunterhalt bringen.“
„Das weiß ich, Miss. Lassen Sie mich darüber nachdenken.“
„Vielen Dank. Das ist mehr, als ich zu hoffen gewagt hätte.“
Mr Tibbs verschwand, und Arthur rieb sich die Augen. Millicent machte ihn fertig fürs Bett und stellte dann enttäuscht fest, dass es hier keinen Schaukelstuhl gab. Sie hielt Arthur im Arm, wiegte sich sanft hin und her und sang ein Schlaflied. Der Kleine kämpfte gegen den Schlaf. Doch schon bald lag sein Kopf schwer auf ihrer Schulter und sein Körper entspannte sich. „Na also, was für ein braver Junge.“ Sie legte ihn in sein Bett und den Hasen neben ihn. Dann deckte sie ihn mit der weichen blau-weiß-gestreiften Flanelldecke zu.
Endlich war alles still. Nach einem Tag in dem Chaos der dritten Klasse sollte diese Ruhe und Einsamkeit eine willkommene Abwechslung sein. Aber so war es nicht. Jetzt war Millie allein mit ihren Sorgen. Sie dachte sich ein paar Spiele für den nächsten Tag aus, um Arthur zu beschäftigen, doch das dauerte nicht lange. Danach schlüpfte Millie leise ins Kinderzimmer und holte ihre Bibel aus ihrem Gepäck. Sie setzte sich neben die kleine Tiffany-Lampe auf dem Sofatisch und griff nach dem dünnen seidenen Faden in ihrer Bibel, der ihr als Buchzeichen diente. Sie schlug die Bibel auf, und das siebte Kapitel des Matthäusevangeliums lag vor ihr.
Wer ist unter euch Menschen, der seinem Sohn, wenn er ihn bittet um Brot, einen Stein biete? Oder, wenn er ihn bittet um einen Fisch, eine Schlange biete? Wenn nun ihr, die ihr doch böse seid, dennoch euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel Gutes geben denen, die ihn bitten!
Ihr Herz machte einen Sprung. Bitte, Herr – bitte halte deine Hände schützend über Isabelle. Brot und Fisch – das ist mehr, als sie heute bekommen hat. Du hast mir diese Stellung gegeben, obwohl ich dich gar nicht darum gebeten habe, Vater. Ich hoffe und bete, dass du Isabelle mit deinem Segen überschüttest.
Arthurs Bettchen knarrte, und sie hörte, wie er im Schlaf vor sich hinplapperte. Millicent hielt einen Moment inne und ließ ihr Herz sprechen ... Arthur war ein Schatz, aber was sie für ihn empfand, war bei Weitem nicht so stark wie die Liebe, die sie immer noch mit Audrey und Fiona verband. Isabelle hatte recht gehabt. Mit den Mädchen habe ich vier lange Jahre zusammengelebt. Meine Liebe zu ihnen hat während dieser Zeit tiefe Wurzeln in meinem Herzen geschlagen. Das hier ist anders. Nach einer kurzen Woche kann die Zuneigung, die ich für diesen süßen, kleinen Jungen empfinde, unmöglich so stark geworden sein wie die zu den Mädchen. Erleichtert über diese Erkenntnis legte Millicent ihre Bibel zur Seite. Auf Zehenspitzen schlich sie zu Arthurs Bettchen und deckte ihn noch einmal zu. Ein paar seiner braunen Locken wickelten sich um ihre Fingerspitzen. Sie waren unglaublich weich, und doch fiel es ihr nicht
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