Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)
einzurichten.
Der mürrische Mann von Thames Water hebelte den Kanaldeckel auf und bat uns, uns wie zu Hause zu fühlen.
Nightingale war der Erste, gefolgt von den Männern vom CO19. Dann kam ich, hinter mir Zach, und den Schluss bildeten Lesley und Reynolds. Als ich unten die Leiter losließ, erkannte ich, wo wir uns befanden. Es war exakt die Kreuzung, die wir erreicht hatten, als der Unbekannte mit der Sten-Gun uns in den Orkus, will sagen, übers Wehr auf den Weg zur Untergrundparty von Olympia und Chelsea geschickt hatte. Damals war hier ein reißender Fluss gewesen. Heute war der Kanal lediglich etwas feucht und duftete beinaheangenehm, zumindest was Londoner Kanalstandards anging.
Kumar wartete schon auf uns.
»Sie konnten einfach nicht wegbleiben, was?«, sagte ich.
»Hier unten ist es so schön warm«, meinte er. »Aber ich staune, dass Sie noch mal mitgekommen sind.«
Ich auch, um ehrlich zu sein. Der Gedanke, durch das Loch zu steigen, hatte mir einiges Unbehagen eingeflößt, aber sobald ich mich mal dazu durchgerungen hatte, war es okay. Es war hilfreich, dass ich von Leuten umgeben war, denen ich vertraute. Wie hatte Conan der Barbar noch so schön gesagt – was uns nicht umbringt, wird uns schon nicht umbringen.
»Wohin jetzt?«, fragte ich Zach.
Er deutete auf den, wie ich inzwischen wusste, Überlaufkanal von North Kensington, dessen Decke so niedrig war, dass man nicht aufrecht darin gehen konnte. Die Jungs vom CO19, denen die Aussicht, eine lange schnurgerade Röhre entlangzuplatschen, grenzenloses Entzücken einflößte, wollten erst noch eine Ladung Schutzschilde holen. Aber Nightingale hielt sie zurück.
»Zuerst machen wir einen Aufklärungsgang«, sagte er und winkte mir und Zach, mit ihm zu kommen. Die CO19-Leute schickten uns mitleidige Blicke hinterher. Also, ich reagiere ja mit einem allergischen Hautausschlag darauf, vor statt hinter einer Gruppe Bewaffneter zu gehen, aber Zach schien sich keine Sorgen zu machen. Entweder rechnete er nicht mit Problemen, oder er hatte mehr Vertrauen in Nightingale als ich.
Wir waren etwa zwanzig Meter weit gekommen, da rief Zach: »Halt! Wir sind dran vorbeigelaufen. Sorry.«
Wir gingen zwei Meter zurück, wobei Zach in regelmäßigen Abständen mit der Faust gegen die linke Wand klopfte. Plötzlich stoppte er und pochte einige Male an eine bestimmte Stelle.
»Das hier fühlt sich richtig an.«
Ich legte die Hand auf die Stelle. Da war etwas wie ein offenes Feuer in einem Ofen und dieser Hauch Schweinestall – wobei Letzterer auch anderswoher kommen konnte, schließlich befanden wir uns in einem Abwasserkanal.
Nightingale legte seine Hand neben meine. »Verblüffend«, sagte er. »Wie kommen wir hinein?«
»So.« Zach drehte sich um, lehnte den Rücken gegen die Stelle, stemmte einen Fuß an die Wand gegenüber und übte Druck aus. Tatsächlich glitt ein Stück der Wand nach hinten, so dass eine Nische entstand, deren glatte Wände mit einer Schicht aus demselben Steingut verkleidet waren, aus dem auch die Schale bestand. Es klickte dumpf, und das Stück Wand rastete hinter Zach ein.
»Nicht schlecht, was?« Er zeigte nach oben. Über ihm war eine Luke freigeworden, die in Finsternis führte. »Ist ’ne Art Brandschutztür, deshalb schließt sie automatisch. Jemand muss sie offen halten, während ich hochsteige.«
Nightingale hob die Hand und machte eine kleine Geste, und das bewegliche Stück Wand ruckte noch einmal und rastete wieder ein. Zach hob unbehaglich die Schultern. »Ja, gut, so können Sie’s natürlich auch machen.«
Nightingale rief die übrigen Expeditionsteilnehmer heran. Zwei der CO19-Leute bat er zurückzubleiben, um die Kreuzung zu bewachen, und zwei weitere, den Tunnel zu sichern. Dann kletterte er durch die Luke; ich folgte ihm.
Während Zach und Lesley heraufstiegen, sah ich michum. Wir standen in einem Raum von der mickrigen Größe eines Wohnzimmers in einer Durchschnitts-Sozialwohnung, nur war die Decke selbst dafür einen Tick zu niedrig. So niedrig, dass ich mit dem Helm anstieß, wenn ich nicht aufpasste.
»Vorsicht mit dem Kopf, Süße«, warnte Zach Lesley, als diese aus der Luke stieg.
Zuerst dachte ich, die Wände seien nach viktorianischer Art mit dunklem Holz getäfelt, aber dann erkannte ich, dass die Farbe nicht stimmte – sie war zu blass. Als ich mit den Knöcheln auf die Platten klopfte, war das Geräusch unverkennbar das von Keramik. Aber wenn ich mit den Fingerspitzen darüberstrich,
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