Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)
Typ, der sie mir verkaufte, meinte, sie wären unzerbrechlich.«
»Und, waren sie’s?«
»Unzerbrechlich? Soweit ich sagen kann, ja.« Der Budenbesitzer blies sich in die Hände und steckte sie sich unter die Achseln. »Er meinte, es wär ein uraltes Handwerksgeheimnis, das seit Anbeginn der Zeiten gehütet worden wäre. Für mich sah’s aus wie getöpfert.«
»Wer war denn der Verkäufer?«
»Einer von den Nolan-Brüdern. Der Jüngste, Kevin.«
»Und wer sind die Nolan-Brüder?«
Der Händler sah Zach an. »Du kennst sie doch, Zachy-Boy, oder?«
Zach wiegte unverbindlich den Kopf.
»Großhandel Nolan and Sons«, sagte der Händler.»Streng genommen die Nolan Bros., jetzt wo der Alte tot ist.«
»Hier aus der Gegend?«
»Schon ewig nicht mehr.« Er deutete vage nach Süden. »Sitzen inzwischen in Covent Garden.«
Ich dankte ihm und gab ihm einen Zehner für seine Mühe. Es schadet nie, sich Verbindungen aufzubauen, und ich dachte mir, egal in welche Richtung der Fall sich entwickelte, auf Portobello würde ich ein Auge haben müssen. Ich fragte mich, wann Nightingale das letzte Mal hier gewesen war – irgendwann in den vierziger Jahren vermutlich.
»Wenn Sie mich nicht mehr brauchen«, sagte Zach, »geh ich dann mal.«
»Keine Chance«, sagte ich. »Sie kommen mit mir nach Covent Garden.«
Zach hob die Schultern. »Wieso brauchen Sie mich denn da?«
Weil du nicht mitkommen willst, dachte ich, und weil du genug Kreuzchen auf meinem Zettel hast, dass ich Bingo rufen kann.
»Sie können mein Fremdenführer sein.«
New Covent Garden ist der Ort, wohin der alte Covent Garden auswanderte, als er sich vom größten Gemüse-, Obst- und Blumenmarkt Londons in eine rundumerneuerte Touristenfalle mit einem ganz guten Opernhaus daneben verwandelte. Es liegt jenseits der Themse in Nine Elms. Ich nahm die Chelsea Bridge – das kleinere der beiden Übel, denn niemand fährt vormittags über die Vauxhall Bridge, außer er ist neu in der Stadt oder gehört zum Secret Service.
Der Fluss lag grau unter den Schneewolken, und von der Brücke aus konnte ich die Stelle sehen, wo neben dem gedrungenen Ziegelbau des alten Battersea-Elektrizitätswerks ein steter Zuwachs an Baucontainern zu verzeichnen war. Die gesamte Gegend einschließlich des Marktes würde in den nächsten Jahren der Stadtsanierung zum Opfer fallen, so viel war klar. Und vermutlich würde das Ergebnis von der Architektur nach Art gestapelter Tupperware-Behälter dominiert werden, die schon jetzt große Teile des Themseufers beherrschte.
Ich bog von der Nine Elms Lane auf die Zufahrtsstraße zum Markt ab und hielt vor dem Eingangstor. Statt meinen Ausweis vorzuzeigen, berappte ich lieber die Gebühr, um jede Möglichkeit auszuschließen, dass irgendwer vor meinem Kommen gewarnt wurde. Dieser nützliche Ratschlag war als Beilage bei den Infos gewesen, die ich vom stationären Ermittlungsteam bekommen hatte – in der Stunde, die ich hierher gebraucht hatte, hatten sie einiges über Nolan and Sons rausgekriegt. Die Zufahrtsstraße führte unter der Bahntrasse hindurch, und ich folgte den Hinweisschildern zum eigentlichen Markt. Die Markthallen waren in den sechziger Jahren als vergrößerte Imitation des originalen Covent Garden gebaut worden, bloß sorgte man diesmal dafür, dass sie nur ja ganz aus Beton bestanden und eine Aura schäbiger Zweckmäßigkeit ausstrahlten. Es gab zwei Reihen von Arkaden mit ladengroßen Unterteilungen, die nach vorn eine Verkaufsfläche und nach hinten eine bequeme Zufahrt für Lastwagen hatten. Wenn dort so richtig lebhaftes Treiben herrscht, ist er vermutlich sehr beeindruckend, aber bei einem Obst- und Gemüsegroßmarkt ist die Geschäftszeit um sieben Uhr morgens vorbei. Als ichin das Areal einbog, waren die Rollläden heruntergelassen, und auf den Zufahrten zu den rückwärtigen Ladezonen lag bereits hoher Schnee. Zum Glück besaßen Nolan and Sons keinen Laden im Hauptbereich, sondern hatten ihre Basis unter einem der Rundbögen der Eisenbahnbrücke nebenan. Hier standen die Rollläden offen, und davor parkte ein alternder Ford Transit. Nolan and Sons stand in abblätternder Farbe sowohl auf einem Schild vor dem Rundbogen als auch auf dem Van.
»Die Knauser«, murmelte Zach. »Seit zwanzig Jahren ist der Alte tot, und sie halten’s immer noch nicht für nötig, das Schild auszuwechseln.«
Ich parkte den Asbo drei Bögen entfernt unter dem Überhang der Eisenbahnbrücke, um Nolan and Sons beobachten zu können,
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