Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)
ohne dass mir die Windschutzscheibe zuschneite.
Dann fragte ich Zach, warum er nicht hatte mitkommen wollen.
»Ich hab hier so ’ne Art Hausverbot. Gab letztes Jahr ein bisschen Ärger.«
»Aber Sie sind doch mit mir zusammen«, sagte ich. »Mit der Polizei dürfen Sie überallhin.«
»Ha! Die Polizei – dass ich nicht lache. Nehmen Sie’s nicht krumm, aber ihr Typen habt doch keine Ahnung, was wirklich abgeht.«
»Nein? Was geht denn wirklich ab?«
»Sachen, die würden Sie nicht glauben.«
Jetzt kam ein magerer weißer Junge in einem blauen Adidas-Kapuzenshirt unter dem Bogen hervor und bewegte sich halb rennend, halb rutschend in Richtung Markthallen. Bei diesem Wetter nur im Sweatshirt herumzulaufen warein Paradebeispiel von Mode vor Hirn. So dürr wie er war, musste er frieren wie ein Schneider. »Wer ist das?«, fragte ich.
»Das ist der liebe Kevin«, sagte Zach. »Nicht das hellste Licht im Leuchter.«
»Was für Sachen würde ich nicht glauben?«
»Jetzt lassen Sie’s doch gut sein.«
»Sie haben davon angefangen.«
»Sagen wir mal, es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als eure Schulweisheit sich träumen lässt. Shakespeare übrigens.«
»Meinen Sie Außerirdische?«
»Tun Sie nicht so blöd. Aber im Epping Forest hab ich mal ein Einhorn gesehen.«
»Wann?«
»Als Kind.« Er klang sehnsüchtig, als erinnerte er sich wirklich zurück. »Und ganz oben auf einem alten Hochhaus gibt’s eine magische Kneipe, die haben das beste Bier und die beste Bootleg-Comedy diesseits des Hudson River. Und auf dem Kanal in Little Venice wohnt ein Mädchen, die züchtet Dope unter Wasser.«
»Sind Sie sicher, dass es kein Seetang ist?«, fragte ich, aber bei mir dachte ich, dass Zach für den durchschnittlichen Londoner Spitzbuben ein bisschen zu gut informiert war. Nicht dass ich vorhatte, ihm zu erzählen, dass ich das wusste. Die goldene Regel der Polizei ist: Versuch deinen Verdächtigen, Zeugen und Vorgesetzten immer eine Nasenlänge voraus zu sein.
»Es ist Zauberdope«, sagte er. »Ich hatte mal ’nen Block davon. Sollte es eigentlich verkaufen, hab dann aber alles selber geraucht.« Offensichtlich war Zach kurzfristig entfallen,dass ich die Polizei war. Weißen Typen ging das öfter so, war mir aufgefallen. Ab und zu war es sehr nützlich.
Kevin Nolan tauchte wieder auf und schleifte zwei Müllsäcke hinter sich her, die er hinter dem Van fallen ließ. Wir beobachteten, wie er von einem Stapel Sperrholzkisten die obersten herunternahm und den Inhalt der Müllsäcke in sie verteilte – es sah aus wie irgendwelches Grünzeug. Seine Bewegungen waren übertrieben nachlässig und mürrisch, wie bei einem Kind, das gezwungen wird, sein Zimmer aufzuräumen.
»Was glauben Sie, was er da macht?«, fragte ich.
»Schnäppchenkäufe«, sagte Zach. »Zu der Uhrzeit kann man auf dem Markt total billig einkaufen, wenn man nicht wählerisch ist.«
Kevin hatte die Müllsäcke geleert und begann die Sperrholzkisten in den Van zu laden. Da ich keine Lust hatte, ihn bei diesem Wetter quer durch London zu verfolgen, stieg ich aus dem Auto. »Sie sind gefälligst noch hier, wenn ich wiederkomme«, sagte ich zu Zach.
»Ich steig hier bestimmt nicht aus«, gab er zurück.
Es gibt für Polizisten verschiedene Ansätze, mit dem Normalbürger in Kontakt zu treten, von zwanglosem Smalltalk bis hin zum vorbeugenden Schlag über den Schädel mit dem Gummiknüppel. Ich entschied mich für die kühne, autoritäre Methode – die hat üblicherweise auf so ein zappeliges Handtuch wie Kevin die beste Wirkung.
Ich straffte die Schultern und näherte mich ihm mit vorgerecktem Dienstausweis. »Kevin Nolan? Kann ich Sie einen Moment sprechen?«
Es war perfekt. Ich erwischte ihn in dem Augenblick, als er eine der Kisten anhob. Als er mich als Arm des Gesetzeserkannte, zuckte er zusammen und schielte tatsächlich hektisch nach links und rechts, als wollte er die Biege machen. Dann nahm er sich zusammen und entschied sich nicht sehr kreativ für die bockige Aggro-Masche.
»Ja«, brummte er.
»Keine Sorge«, sagte ich. »Ich bin nicht wegen der Parkgebühren hier.«
Er grunzte und stellte die Kiste, die er in den Händen hielt, in den Van. »Wieso dann?«
Ich fragte ihn nach der Steingut-Obstschale, die er angeblich dem Marktstandbesitzer in der Portobello Road verkauft hatte.
»Steingut«, sagte er. »Sie meinen das Zeug, das so unbemalt aussieht?«
Ich bestätigte es.
»Was ist damit?« Er steckte sich den
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