Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)
sagte er. »Aber können wir vielleicht zuerst was frühstücken?«
Die Portobello Road ist eine lange Straße, die sich von Notting Hill bis hinter den Westway schlängelt. Seit den Swinging Sixties, als die Popstars und Filmregisseure mit den dicken Portemonnaies anrückten, bildet sie die Frontlinie der Gentrifizierung. Einen Markt gab es dort schon, als das nördliche Ende noch in die Felder hinausführte und man im Counter’s Creek Fische fangen konnte. Der Antiquitätenmarkt– der Teil, der jeden Samstag die Touristen anzieht – kam zwar erst in den 1940ern auf, ist aber das, woran jeder denkt, wenn er heute den Namen hört. Während in den Achtzigern die gut betuchten Bohemiens durch die richtig Reichen ersetzt wurden, fungierte die Portobello Road als Barometer des Wandels. Beginnend am in Notting Hill gelegenen Ende der Straße wurden die hübschen viktorianischen Häuserzeilen eine nach der anderen von Leuten mit sechsstelligen Gehältern eingesackt, und zwischen den Antiquitätengeschäften und jamaikanischen Cafés versuchten sich die großen Innenstadtketten breitzumachen. Nur die roten Ziegelsozialwohnblocks dienten noch als Bollwerke gegen die erbarmungslose Flut, starrten finster auf die Neureichen aus der City und die Medienstars und drückten die Immobilienpreise durch ihre bloße Anwesenheit wieder ein bisschen herunter.
Ein typisches Beispiel war Portobello Court, der am Scheidepunkt zwischen Antiquitäten- und Gemüsemarkt über die Kreuzung Elgin Crescent wachte. Dank seiner wackeren Präsenz konnte man hier immer noch Würstchen mit Eiern, Bohnen, Toast und Pommes frites für einen Fünfer bekommen und gleichzeitig den Standplatz des Händlers im Blick behalten, bei dem, wie Zach schwor, James Gallagher seine Obstschale gekauft hatte. Zach nahm das eben genannte Full English Breakfast, ich ein durchaus leckeres Pilzomelett und eine Tasse Tee. Zach schnappte sich eine herumliegende Ausgabe der Sun , warf einen Blick auf die Schlagzeile – E.- c oli-Epidemie in London bestätigt! – und blätterte weiter. Ich hielt den Blick aufs Fenster gerichtet, wo der für den Stand reservierte Fleck langsam unter frischem Schnee begraben wurde.
Ich rief Lesley an. »Wie kriegt man den Besitzer eines Marktstands im Portobello raus?«
Zach hielt im Kauen inne und schielte zu mir.
»Du rufst beim stationären Ermittlungsteam an«, sagte Lesley. »Die übrigens dafür bezahlt werden, dass sie deine blöden Fragen beantworten.« Hinter ihr hörte ich Straßenlärm.
»Wo bist du?«
»Gower Street. Ich hab ’nen Arzttermin.«
Ich sagte Tschüs und blätterte in meinem Adressbuch nach der Nummer des stationären Ermittlungsteams. Da machte Zach eine kleine, dringliche Handbewegung.
»Was ist denn?«
»Ich muss was beichten«, sagte er. »Ich war nicht ganz ehrlich.«
»Ich bin entsetzt.«
»Der Stand … Also, der richtige ist der da.« Er zeigte auf eine Bude ein Stück entfernt. Dort wurden Töpfe, Pfannen und verschiedene ominöse Küchenutensilien verkauft, und er war schon da gewesen, als wir vor einer halben Stunde das Café betreten hatten.
»Ich hab mal eine philosophische Frage«, sagte ich. »Ist Ihnen bewusst, dass Sie mit Ihrer ständigen Schwindelei mein Vertrauen in Sie empfindlich erschüttern, was möglicherweise irgendwann in der Zukunft ungünstige Folgen für Sie nach sich ziehen wird – in fünf Minuten zum Beispiel?«
»Nicht so richtig«, mümmelte Zach mit dem Mund voller Pommes. »Ich lebe für den Augenblick. Grashüpfer, keine Ameise. Was ist denn in fünf Minuten?«
»Dann habe ich meinen Tee ausgetrunken.«
Wenn man in London lebt, sind weiße Weihnachten so ungefähr das Letzte, womit man rechnet. Der Budenbesitzer hatte sich gründlich auf die festliche Zeit vorbereitet. Um das Gestänge der Bude wand sich Lametta, und ein kleiner Christbaum aus Plastik mit daranhängendem Schild »Last-Minute-Weihnachtsangebote!« zeigte an, wo der Weihnachtshase lief. Aber der gute Mann war gezwungen, immer wieder den Schnee von seiner Markise zu klopfen, damit sie nicht über ihm zusammenkrachte, und er war hocherfreut, mich zu sehen, sogar dann noch, als ich ihm meinen Dienstausweis hinhielt.
»Ach, mein Bruder, mein Bruder!«, sagte er. »Ich weiß, ein Gesetzeshüter hat niemals frei, aber sicherlich suchen Sie doch noch etwas für Ihre Lieben.«
»Ich suche nach einer Keramik-Obstschale.« Ich zeigte ihm mein Handy mit dem Foto.
»An die Dinger erinnere ich mich. Der
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