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Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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moderner Kunst darin unterzubringen.
    Ich parkte so nahe am Haupteingang wie möglich und stapfte durch den knöchelhohen Schnee, mit dem der Vorplatz, der bis zur Themse hinunterging, bedeckt war. Am anderen Ende der Millennium Bridge erhob sich aus dem rot-weißen Durcheinander sanierter Lagerhäuser die Kuppel von St. Paul’s; die Spitze der Kuppel schien die Wolken zu kitzeln. In der Ferne sah ich zwei winzige, wie von Lowry gemalte Gestalten über die Brücke eilen.
    Aus der Mitte des Museums ragte die hundert Meter hohe massive Backsteinwand des Schornsteins in die Höhe; die beiden Haupteingänge waren zwei horizontale Schlitze links und rechts davon. Irgendwann in den letzten Stunden hatte man einen Zugangsweg dorthin freigeschaufelt, doch der war schon wieder halb zugeschneit und mit frischen Fußabdrücken überzogen – offenbar gab es zumindest einige andere Kulturhungrige außer James Gallagher, die einen Flyer in die Hände bekommen hatten.
    Drinnen war es nicht eisig, sondern nur kühl, und der Fußboden glänzte nass von geschmolzenem Schnee. Ein Absperrseil war aufgestellt worden, durch das mich ein vornehmer Türsteher durchwinkte, ohne nach meiner Einladung zu fragen – ich nehme an, sie waren froh um jeden, der überhaupt kam.
    Ein furchtbar dünnes weißes Mädchen in pinkfarbenem Strickminikleid mit passendem Pelzhütchen begrüßte mich mit einem Glas Wein und einem strahlenden Lächeln. Den Wein nahm ich, auf das Lächeln ging ich nicht weiter ein, schließlich war ich im Dienst und überhaupt. Die Frauen in der Menge waren im Durchschnitt besser gekleidet als die Männer, abgesehen von den Schwulen und denen, die von ihrer Partnerin eingekleidet wurden. Mein Dad sagt, nur Jungs aus dem Proletariat wie er selbst wüssten wahren Stil zu schätzen, worüber ich immer grinsen muss, weil auch ihm meine Mum die Klamotten kauft. Die Menge roch nach Guardian und Independent – hochkultiviert, hochdotiert, wir kennen uns aus, wir gehören dazu und schicken unsere Kinder auf teure Privatschulen.
    Ich schaute mich rasch um, nur für den Fall, dass Lady Ty irgendwo in einer Ecke lauerte.
    Die Tate Modern wird von der Turbinenhalle dominiert, einem gigantischen kirchenschiffartigen Raum, der auch für das größte künstlerische Ego hoch und breit genug ist. Wir waren damals mit der Schule hier gewesen, um uns die Skulptur von Anish Kapoor – eine Mischung aus Zeppelin und Kannenpflanze – anzuschauen, die die Halle von einem Ende zum anderen ausgefüllt hatte. Ryan Carroll hatte nicht die ganze Halle bekommen, aber immerhin den Zwischenboden, der über der Mitte schwebte.
    Ich musste ziemlich nahe an die Skulpturen herangehen, um sie gut sehen zu können. Sie bestanden aus Schaufensterpuppen, denen offenbar kleine Maschinenelemente aus dem Dampfzeitalter in den Körper genietet worden waren. Ihre verdrehten Posen wirkten schmerzverkrampft, und die Gesichter waren abgeschliffen, so dass sie der Welt nur eine glatte Oberfläche zuwandten. Sie erinnerten mich unbehaglich an Lesleys Maske oder den Anblick des Gesichtslosen. Auf der Brust trugen die Puppen Bronzeplaketten, auf denen je ein einzelnes Wort stand: Industrie las ich auf einer, Fortschritt auf einer anderen.
    Steampunk für die Kulturelite, dachte ich. Wobei die Kulturelite nicht übermäßig interessiert schien. Ich sah mich nach einem zweiten Glas von dem Prickelwein um und bemerkte, dass mich jemand beobachtete. Es war ein junger Chinese mit einem wilden schwarzen Haarschopf, einem außer Kontrolle geratenen Ziegenbärtchen, einer Brille mit rechteckigem schwarzem Rahmen und einem teuren cremefarbenen Anzug, der absichtlich auf schlabbrig und zerknittert getrimmt war. Als er sah, dass ich auf ihn aufmerksam geworden war, kam er herübergeschlendert und begrüßte mich.
    »Mein Name ist Robert Su.« Sein Englisch hatte einen kanadischen Akzent. »Ich würde Sie gern mit meiner Arbeitgeberin bekanntmachen.« Er zeigte auf eine ältere Chinesin in etwas, das aussah wie ein sehr edles taubengraues Alex-and-Grace-Kostüm – oder die Art von hervorragender Imitation, die den Unterschied zu einem rein metaphysischen Detail macht.
    »Peter Grant.« Ich schüttelte ihm die Hand.
    Er führte mich zu der Dame, die trotz ihres weißenHaars und der leicht gebeugten Haltung ein faltenloses Gesicht und bemerkenswert grüne Augen hatte. »Das ist Madame Teng.«
    Ich machte eine ungeschickte halbe Verbeugung, und weil ich mich damit noch nicht genug zum

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