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Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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– wieich später herausbekam, stammte es von einem Ballon mit einem Theaterscheinwerfer, was auch die Kabel erklärte, die sich das Gerüst hinaufschlängelten.
    Auf allen vier Seiten waren zwischen den Gerüststangen Tapeziertische aufgestellt worden, die als provisorische Marktstände dienten. Ich sah mir den ersten rechts genauer an. Es war ein Bücherstand mit meist antiquarischen gebundenen Büchern, die einzeln in Plastikfolie gewickelt waren. Ich nahm ein Exemplar von Méric Casaubons Über die Glaub- und Unglaubwürdigkeit aller natürlichen, staatlichen und göttlichen Gegenstände aus dem achtzehnten Jahrhundert heraus, das demjenigen, das wir im Folly besaßen, sehr ähnlich sah. Daneben fand ich ein weiteres mir bekanntes Buch, eine Ausgabe von Erasmus Wolfes Exotica von 1911 – definitiv hochgradig zur »Kunst« gehörig und, dem Stempel zufolge, aus der Bodleian Library geklaut. Ich blätterte darin und merkte mir den Sicherheitscode, um ihn später an Professor Postmartin weiterzugeben. Dann legte ich das Buch zurück und lächelte den Verkäufer an. Er war jung, hatte rotblondes Haar und trug einen Tweedanzug, der schätzungsweise doppelt so alt war wie er selbst. Seine blauen Augen wichen mir nervös aus, als ich ihn fragte, ob er ein Exemplar der Principia besitze.
    »Sorry. Hab davon gehört, es aber nie auch nur gesehen.«
    Ich sagte »Schade« und ging weiter. Er log, und er hatte uns als Polizei erkannt.
    »Nightingale hatte recht«, sagte ich zu Lesley. »Es ist ein Nazareth.«
    Auch in den Tagen von eBay und hochverschlüsselten anonymen Internetkaufmethoden ist es immer noch am sichersten, gestohlene Ware zu kaufen, indem man sich miteinem völlig Fremden trifft und diesem ein Bündel nicht rückverfolgbarer Scheine aushändigt. Du kennst ihn nicht, er kennt dich nicht – das einzige Problem ist: Wo trifft man sich? Ein Markt braucht seinen Platz. In London werden solche illegalen Treffpunkte schon seit dem achtzehnten Jahrhundert »Nazareth« genannt. Die dort gehandelten Waren fließen in die Schattenwirtschaft der Straßenmärkte, Second-Hand-Shops und Pinnwände im Pub ein. Natürlich gibt es mehr als einen, und sie bewegen sich schwankend durch die Stadt wie ein besoffener Banker am Bonustag – um sie zu finden, muss man jemanden kennen, der jemanden kennt. Wann immer etwas von einem Lastwagen fällt, landet es im Nazareth.
    Das hier, vermutete ich, war allerdings ein Nazareth für Sachen, die gar nicht erst auf Lastwagen transportiert wurden.
    Am nächsten Stand gab es Totenmasken im römischen Stil aus zartem Porzellan, hinter die man eine Kerze stellen konnte, woraufhin die Züge der Toten zu flackerndem Leben erwachten.
    »Ist da jemand Berühmtes dabei?«, fragte ich das beruhigend modern gekleidete Gothic-Mädchen hinter dem Tisch.
    Sie zeigte auf einige der Masken. »Das ist Aleister Crowley. Das hier ist Beau Brummell und das Marat – der wurde in der Badewanne erstochen.«
    Wenn sie meinte. Für mich sahen die Gesichter alle gleich aus. Dennoch ließ ich die Fingerspitzen über die Kante der Crowley-Maske gleiten – keine Spur von Vestigia . Ein Scharlatan, selbst über den Tod hinaus.
    »Himmel, hör dir das an«, sagte Lesley.
    Ich sah mich nach ihr um. Sie hielt den Kopf schräg, und in ihren Augen flackerte Belustigung.
    »Was?«
    »Die Musik«, sagte sie. »Das ist Selecter.«
    »Ach ja?« Für mich klang es einfach nach irgendwelchem Ska.
    »Diese Musik hört mein Dad«, sagte sie. »Wenn sie als nächstes Too Much Pressure spielen, haben sie seine Lieblings-Playlist geklaut.«
    Das nächste Lied war Too Much Too Young . »The Specials«, sagte Lesley. »Nahe dran.«
    Wir schauten uns die übrigen Stände an, fanden aber nichts, was aussah wie Steingutschalen oder -statuen, allerdings bemerkte ich ein Tarotdeck, an dem genug Vestigium klebte, um einen ganzen Geisterclan ein Jahr lang putzmunter zu halten.
    »Ist es fallrelevant?«, fragte Lesley.
    »Nicht wirklich«, sagte ich.
    »Dann weiter.«
    »Wohin?«
    Sie zeigte auf die provisorischen Galerien über uns.
    Ich packte die nächstgelegene Leiter und rüttelte daran. Sie stand so sicher wie ein Aktenschrank in einem Büro für Betriebssicherheit. Ich kletterte zuerst hoch.
    Auf dem nächsten Stockwerk befand sich unverkennbar der Pub. Ein ganzes Stück der Hausrückwand war herausgenommen worden; in der entstandenen Öffnung klemmte mit Hilfe mehrerer Wagenheber ein Tresen aus Walnussholz, hinter dem drei junge

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