Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
Vom Netzwerk:
Jahrhunderts klar wurde, dass sie auf einer gänzlich irrigen Materietheorie basierte. Nightingale machte sich die Mühe, mich den Zauber zu lehren, gemeinsam mit dem ebenfalls schwierigen und unmodernen Congolare , weil man mit einer Kombination aus beiden einen Schild vor dem eigenen Körper erschaffen kann. Beide Formae waren von dem Großen Mann, Isaac Newton, persönlich entwickelt worden und – typisch für ihn – derart kniffelig, dass Generationen von Schülern sich bemüßigt gefühlt hatten, den Rand des Lehrbuchs mit verschiedenen Varianten von Hä?! zu verzieren.
    »Aber ein Schild ist doch nützlich?«, hatte ich gefragt.
    »Es gibt einen viel effektiveren Schildzauber der vierten Ordnung. Aber das dauert bei Ihnen noch mindestens zwei Jahre«, erklärte Nightingale. »Diesen hier lehre ich Sie für den Fall, dass Sie noch einmal dem Gesichtslosen begegnen. Der Zauber sollte Ihnen lange genug Schutz vor Feuerbällen bieten, dass Sie sich geordnet zurückziehen können.«
    Womit er meinte: rennen, was das Zeug hielt.
    »Hält er auch Kugeln aus Schusswaffen ab?« Ich musste es fragen.
    Nightingale wusste es nicht. Also kauften wir ein halbautomatisches Paintball-Gewehr, montierten einen Einfülltrichter und einen Kompressor daran, schraubten es auf ein Stativ und bauten das Ganze hinten im Schießstand auf. Seither begann ich mein Training, indem ich meine kugelsichere Weste, meinen alten Genitalschutz aus Hendon und meinen Schutzhelm mit Visier anlegte. Dann stellte ich die mechanische Zeitschaltuhr am Gewehr ein und mich selbst in den Zielbereich. Es war immer ein unbehagliches Gefühl, am falschen Ende der Waffe zu stehen. Nightingale fand das nur richtig so.
    Die Zeitschaltuhr war ein Relikt aus den fünfziger Jahren, ein Pilz aus Bakelit mit einer Zahlenscheibe wie bei einem alten Tresor, nur pink lackiert. Sie war so alt und abgeblättert, dass die Ungewissheit, wann sie wohl klingeln würde, dem Ganzen ein Element der Spannung verlieh. Sobald sie schrillte, sprach ich den Zauber, und die Paintball-Waffe begann zu feuern. Anfangs hatten Nightingale und ich gedacht, wir müssten uns einen Mechanismus basteln, um die Ausrichtung der Waffe zu variieren. Aber die produzierte allein schon durch ihr Gewackel auf dem Stativ eine Streuung, die auch den höchsten Ansprüchen beim Schießlehrgang der Imperialen Sturmtruppen genügt hätte.
    Ich hatte nichts dagegen – denn bei den ersten Malen trafen mich alle Geschosse, die nicht meilenweit danebengingen, mit voller Wucht. Seither habe ich, wie ich glaube, deutliche Fortschritte beim Schutzzauber gemacht (ja, zugegeben, von einem niedrigen Niveau aus) und kann jetztneun von zehn Schüssen abwehren. Aber, wie Nightingale sagt, der zehnte ist entscheidend. Er hatte auch angemerkt, dass eine Paintball-Kugel eine Geschwindigkeit von etwa 300 Fuß pro Sekunde erreicht, eine moderne Pistolenpatrone aber mindestens tausend, und daran ändert sich leider auch nichts, wenn man es in metrische Einheiten umrechnet.
    Also ging ich fast jeden Tag in den Keller, holte tief Luft, lauschte auf das Sirren der Zeitschaltuhr, bis sie den finalen Klick machte, und versuchte diesen ärgerlichen statistischen Ausreißer loszuwerden.
    Sirr, klick, platsch, platsch, platsch.
    Dem Himmel sei Dank für den Schutzhelm – mehr will ich dazu gar nicht sagen.
    Nach dem Mittagessen kehrte Zach zurück. Er wedelte mit einem Zettel und streckte fordernd die Hand aus.
    »Hol’s dir von Nightingale«, sagte ich.
    »Er sagte, den Rest hättest du.«
    Ich zog meinen Geldclip heraus und gab ihm zweihundertfünfzig in Zwanzigern und Zehnern. Danach war nicht mehr viel im Clip. Zum Dank erhielt ich ein Stück Papier mit einer Adresse in Brixton und einem mysteriösen Satz darauf.
    »Ich soll hier den Rasen mähen«, las ich vor.
    »Das ist das Passwort«, sagte Zach und zählte das Geld nach.
    »Jetzt muss ich zum Geldautomaten«, sagte ich.
    »Ich würd dir ja einen Drink spendieren«, er winkte mit dem Geldbündel, »aber das hier ist schon verplant.« Er rannte in den ersten Stock und holte seine Tasche. Dochso eilig er es hatte, das Folly zu verlassen, er kam auf dem Rückweg noch einmal zu mir und schüttelte mir die Hand.
    »War nett, dich kennenzulernen. Aber nimm’s mir nicht krumm, wenn ich ehrlich hoffe, dass wir uns nie wieder begegnen. Und grüß Lesley von mir.« Er ließ meine Hand los und flitzte durch den Haupteingang davon. Ich zählte vorsichtshalber meine Finger und

Weitere Kostenlose Bücher