Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
Vom Netzwerk:
dass Kevin sich genau diesen Moment aussuchte, um ins Auto zu steigen und loszufahren. Wir warteten ein paar Minuten, riefen in Belgravia an und baten darum, die Hausnummer in der Datenbank zu überprüfen, dann fuhren wir ihm nach.
    Eine Viertelstunde später hielt Kevin in der Kensal Road vor dem vermutlich letzten Lagerhaus Westlondons, das noch nicht zu Wohnungen umgebaut war. Es besaß noch das originale Tor, das zwei Wagen nebeneinander Platz bot. Die blaue Farbe darauf war zu einem verwitterten Dunkelgrau verblasst.
    Kevin stieg aus, stapfte zum Tor, schloss die darin eingelassene Fußgängerpforte auf und verschwand dahinter.
    »Mir reicht’s«, sagte Lesley. »Komm, lass uns reingehen und schauen, was da läuft.«
    »Wenn wir ihn erst wegfahren lassen«, sagte ich, »haben wir das Lager für uns und können uns in Ruhe umsehen.«
    »Aber wir bräuchten eine Durchsuchungsgenehmigung«, bemerkte Lesley. »Wenn wir hingegen den kleinen Kevin – der, wenn ich mich recht erinnere, gestern vor deinen Augen jemanden tätlich angegriffen hat – dabei ertappen, wie er einen Haufen dubioser Kisten hier reinträgt, können wir ihn ganz legal wegen verdächtigen Verhaltens überprüfen. Und sobald wir drin sind …«
    Sie hatte recht, also taten wir genau das. Als Kevin das Tor geöffnet hatte und seinen Van ins Lagerhaus fuhr, hängten wir uns einfach hintendran. Er bemerkte uns nicht einmal, bis er um den Van herumkam, um auszuladen.
    »Ich war’s nicht!«, sagte er.
    »Was waren Sie nicht?«, fragte ich.
    »Gar nichts.«
    »Und was ist dann in den Kisten, Kevin?«, fragte Lesley.
    Kevin öffnete schon den Mund, um wieder »Gar nichts« zu sagen, schien aber zu begreifen, dass das selbst für ihn eine zu dämliche Antwort war.
    »Teller«, sagte er. Es stimmte. Alle Kisten waren voller Teller aus genau dem gleichen harten biskuitfarbenen Steingut wie die Schale in James Gallaghers Wohnung – und die Scherbe, die ihn getötet hatte. Aber damit nicht genug.
    Der Ladebereich teilte das Lagerhaus genau in der Mitte. Am anderen Ende befand sich ein zweites hölzernes Tor, das direkt auf den dahinter liegenden Treidelpfad am Grand Union Canal führte. Beidseits der Ladezone gab es je zwei offene Lagerräume, sowohl im Erdgeschoss als auch im ersten und zweiten Stock; dort waren die Räume allerdingsgrößer. In allen Lagerräumen außer einem stapelten sich auf morschen Holzregalen Töpferwaren.
    Ich überließ Kevin Lesleys liebevoller Fürsorge und machte mich an die Erkundung des Lagerhauses. An manchen Stellen waren die Regale schon zusammengebrochen, was zu gefährlichen Verwehungen aus Servierplatten oder Untertassen geführt hatte. In den nach hinten gelegenen Räumen standen dick verstaubte Stapel von Terrinen und Suppentellern auf Regalen, von denen zottige Spinnweben hingen. Jedes Mal, wenn ich einen Raum betrat, hörte ich deutlich, wie die Ratten vor mir davonstoben. In einem war ein ganzes Regalbrett mit dicht an dicht stehenden Salzstreuern bestückt, die an eine Armee von Miniatur-Daleks erinnerten, und in der Etage darunter stand eine weitere Armee kleiner beschwipster Männchen mit Dreispitz – Toby-Krüge. Ich nahm ein paar heraus, um sie mir näher anzuschauen, und spürte schwache Vestigia : Schweinestall-Geruch, aber auch Bier und Gelächter. Ich bemerkte, dass das Gesicht jedes Krugs sich leicht von den anderen unterschied, als seien sie alle individuell gefertigt. Beim Hinausgehen spürte ich ihre dreisten Blicke im Nacken. In einem anderen Raum begegnete mir neben Behältnissen, die Nachttöpfe und Milchkrüge zu sein schienen, meine gute alte Freundin, die vom Bildhauer überraschte Göttin, in vielfacher Ausfertigung.
    Einer der hinteren Räume im Erdgeschoss war halb freigeräumt worden. Statt der Regale mit Steingut stand hier, fast so groß wie Lesley und mit Luftpolsterfolie umwickelt, ein nagelneuer 15-Kilowatt-Brennofen. Ich erfuhr später, dass es sich um so ziemlich das Größte und Heißeste handelte, was auf dem Markt zu haben war. Drum herumstanden weitere Kartons und Verpackungen mit diversem Brennofenzubehör sowie Tüten voller mysteriöser bunter Pulver, die man später als Ingredienzen verschiedener Keramikglasuren identifizierte.
    Ich musste an James Gallagher und sein kürzlich erwachtes Interesse für Keramik denken. Aber ein Brennofen dieser Größenordnung hätte ihn garantiert ein paar Riesen gekostet, und ein solcher Posten wäre der Mordkommission schon am ersten

Weitere Kostenlose Bücher