Ein zauberhafter Liebesschwindel - The Importance of being Married / 01 The Wild Trilogy
schreien war vielleicht ein wenig übertrieben, aber ich sagte es definitiv laut genug.
»Das war nichts«, rief Ivana. »Ich kann dich nicht hören. Du musst schreien.«
Zähneknirschend setzte ich mich wieder in Bewegung.
»Wild«, knurrte ich. »Wild«, schrie ich dann gleich ganz mutig hinterher.
»Lauf schneller. Du läufst nicht schnell genug.« Ivana trabte zu mir herüber und begann, neben mir herzulaufen, wobei ihre hohen Absätze im Rasen versanken, bis sie stehen blieb, sie sich von den Füßen riss und barfuß weiterlief. Ich fragte mich, weshalb ich nicht auf diese Idee gekommen war, und tat es ihr nach. Als ich merkte, dass Ivana mich gleich überholen würde, legte ich noch einen Zahn zu. Es machte sogar Spaß zu versuchen, vor ihr zu bleiben und zu spüren, wie die Luft in meine Lungen drang.
»Wild«, schrie sie. »Los, Jessica. Ist wiiiilld.« Sie öffnete die Arme und schrie mit einer gutturalen Kraft, die die Vögel auffliegen ließ.
»Wild«, rief ich, lauter diesmal. »Wild.«
»Du bist wild, ich bin wild«, kreischte Ivana.
»Wir sind alle wild«, stimmte ich ein, schloss die Augen und atmete tief ein. Und merkte, dass ich mich tatsächlich amüsierte. Aus irgendeinem Grund war es mir plötzlich egal, ob die Leute mich anstarrten oder ob mich meine schmerzenden Füße umbrachten – es war befreiend, in einem ruhigen Londoner Park herumzurennen und aus vollem Hals zu schreien. Es war aufregend, sich so ungestüm zu benehmen, wie ein Kind, das noch nicht gelernt hat, immer nur vernünftig zu sein.
»Wild«, brüllte Ivana aus Leibeskräften.
»Wild«, brüllte ich, breitete die Arme aus und warf den Kopf in den Nacken. »Wiiiild!«
So ging es weitere fünf Minuten. Erst als ich auf Helen zulief, bemerkte ich, dass ich die meiste Zeit allein gewesen war, während Ivana mittlerweile ihre Schuhe wieder angezogen hatte und mit einer Zigarette in der Hand neben Helen stand.
Augenblicklich kam ich mir blöd vor und starrte zu Boden.
»Das war schon besser«, bemerkte Ivana, ließ ihren Zigarettenstummel fallen und drückte ihn mit ihrem Absatz aus. »Aber du hast noch einen langen Weg vor dir, bis du Männer so verführen kannst, dass sie dir einen Heiratsantrag machen.«
»Ich fand, du warst wirklich gut«, lobte Helen, der meine niedergeschmetterte Miene nicht entgangen war. »Du warst total wild. Ich meine, so richtig.«
»Okay.« Ivana schlug den Weg zum Parkausgang ein. »Ich muss jetzt gehen. Deine Hausaufgabe: Sag dir im Spiegel, dass du Jessica Wild bist. Dass du sexy bist. Und das sagst du auch deiner Freundin.«
»Das ist alles?«, hakte Helen nach. »Keine weiteren Tipps? Das Problem ist, dass uns die Zeit davonläuft.«
Ivana blieb stehen. »Das wirst du heute üben. Wir sehen uns bald wieder. Dann erzählst du mir, wie es mit dem Anfassen lief.«
Ich starrte sie verunsichert an. »Aber … aber das kann ich nicht. Ich meine, ich habe keine Ahnung, wie ich das machen soll. Ich werde absolut lächerlich aussehen«, protestierte ich.
»Du machst das schon richtig. Du siehst sexy aus«, erwiderte Ivana und ging weiter, als sei der Fall damit für sie erledigt.
»Aber wie stelle ich das alles richtig an? Du hast es mir doch nicht mal gezeigt«, rief ich ihr nach, bereute es aber augenblicklich, als Ivana stehen blieb. Seufzend sah sie auf die Uhr und drehte sich langsam um.
»Ich habe einen Termin«, erklärte sie verärgert. »Aber okay, zwei Dinge. Leck die Lippen. So.«
Ihre Zunge schnellte aus ihrem Mund und bahnte sich genüsslich einen Weg über ihre Lippen.
»Alles klar? Und jetzt du.«
Ich wurde rot und versuchte, es ihr nachzutun. Ivana sah völlig unbeeindruckt aus und warf Helen einen vielsagenden Blick zu.
»Probier es vor dem Spiegel«, erklärte sie. »Es ist besser, wenn du dich dabei siehst. Weiter«, fuhr sie fort. »Das mit dem Anfassen zeige ich dir lieber aus der Nähe. Komm her.«
Ich gehorchte.
»Sag etwas«, bellte sie.
Verwirrt begann ich, übers Wetter zu faseln. Während ich redete, streckte Ivana die Hand aus und streifte behutsam meinen Arm. »Weißt du«, flüsterte sie, »es war sehr schön, dich heute kennen zu lernen.« Dann beugte sie sich vor, um meine Hand in ihre zu nehmen. Sie berührte meine Finger ganz sanft, und mit einem Mal wurde mir bewusst, dass sich unter ihrer barschen Fassade ein reizender Mensch verbarg. Ein sanftmütiger Mensch. Gerührt erwiderte ich den Druck ihrer Hand.
»Danke, Ivana. Es hat mich auch sehr
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