Ein zauberhafter Liebesschwindel - The Importance of being Married / 01 The Wild Trilogy
bisschen anfassen. Wohlgemerkt: ein bisschen. Wenn du viel zu heftig zugrapschst, war's das; und bei zu wenig sucht er sich eine andere. Okay? Nur am Arm, im Gesicht, wenn du dich vorbeugst und etwas sagst. Ein bisschen hier, ein bisschen da. Du willst, dass er sich auf dich konzentriert. Nicht auf jemand anderes. Okay? Also, du hörst ganz genau auf jedes Wort von ihm, dann beugst du dich vor. So.« Sie demonstrierte es mir, indem sie sich über Helen drapierte. »Ich denke, das ist deine größte Herausforderung, stimmt's?«
Ich verdrehte die Augen. »Was? Und wo soll ich das machen? Am Wasserspender, vielleicht? Sehr professionell.«
In meiner Stimme lag ein leicht sarkastischer Unterton, den Ivana mit einem Stirnrunzeln quittierte. »Du wirst schon eine Gelegenheit finden«, erklärte sie ruppig. »Aber deine Stimme ist ein Problem. Du musst was daran ändern.«
»Meine Stimme? Was ist verkehrt an meiner Stimme?«
»Sie ist nicht sexy.«
»Tja, dann kann man auch nichts machen«, erklärte ich bockig. »Meine Stimme ist eben so. Sie ist angeboren.«
Ivana schüttelte den Kopf. »Die Stimme kann man immer ändern. Hör zu.« Sie nippte an ihrem zweiten Kaffee und begann, in einer Sprache zu sprechen, bei der es sich um ihre Muttersprache handeln musste. Ihre Stimme klang kehlig, zornig, hart und guttural. Dann änderte sie ihren Gesichtsausdruck und begann, auf Englisch zu flüstern – mit einer Stimme so sanft und verführerisch wie eine Sirene.
»Siehst du? In Russland muss ich nicht verführen. Hier schon. Hier habe ich eine viel schönere Stimme. Ja?«
Ich nickte voller Bewunderung.
»Und jetzt du«, forderte sie mich auf.
»Ich kann aber nicht«, wand ich mich.
»Los«, drängte Helen. »Versuch's doch wenigstens mal.«
Ich seufzte. »Also gut, aber ihr dürft nicht lachen«, sagte ich und räusperte mich. »Hi«, sagte ich und bemühte mich, Ivanas mürrisch-aufreizenden Tonfall zu imitieren. »Hi, ich bin Jessica Wild.«
»Wild? Du heißt Wild? Ehrlich?« Ivana lächelte und entblößte dabei mindestens vier Goldzähne. »Für diesen Namen würde ich töten.« Ich konnte nur hoffen, dass sie es lediglich im übertragenen Sinne meinte. »Dein Name ist Wild, und das musst du nutzen, ja? Also los. W-i-l-d.«
Sie schnurrte meinen Namen so viel sagend, dass ich mich automatisch umsah, ob jemand sie gehört hatte.
»Wild«, wiederholte ich, ohne dabei auch nur ansatzweise denselben sexy Unterton zuwege zu bringen.
»Wiiiiild«, wiederholte Ivana und sah mir direkt in die Augen.
»Willd«, wiederholte ich. Diesmal klang ich nur unwesentlich besser als ein Schulmädchen, aber nach wie vor nicht einmal annähernd sexy.
Ivana runzelte die Stirn. »Wir müssen Atemübungen machen«, erklärte sie. »Wir gehen in den Park.«
»In den Park?«
»In den Park.«
Zwanzig Minuten später standen wir im Regent's Park.
»Also«, erklärte Ivana. »Du rennst los und schreist dabei. Wir sehen zu. Alles klar?«
Ich starrte sie verständnislos an. »Ich werde nicht herumrennen und dazu schreien«, protestierte ich. »Hier sind doch überall Leute.«
»Du willst einen Ehemann? Du willst Geld? Also …«
Ich musterte Ivana, um herauszufinden, ob sie scherzte, aber allem Anschein nach war dem nicht so.
»Nein«, sagte ich. »Hier geht es nicht um Geld. Hier geht es um … um diese Freundin von mir, Grace, die gestorben ist. Sie dachte, ich sei verheiratet, aber …«
Ich unterbrach mich beim Anblick von Ivanas versteinerter Miene. »Du willst heiraten – sag ich doch! Also rennst du, und du schreist Wild dabei, okay?«, erklärte sie rüde.
»Helen?« Flehend sah ich meine Freundin an, doch die heftete den Blick auf ihre Füße. »Du könntest es doch wenigstens probieren«, sagte sie, ohne mir in die Augen zu sehen. »Ich meine, was kann es schon schaden?«
»Schaden? Abgesehen davon, dass ich mich in aller Öffentlichkeit zum Affen mache, die Touristen völlig aus dem Konzept bringe und Gefahr laufe, von der Polizei verhaftet zu werden?«
Ivana sah auf ihre Uhr. »Schnell«, befahl sie. »Es wird spät.«
Ihr Blick war eisern, und mir wurde schlagartig bewusst, dass ich aus dieser Geschichte nicht herauskam – ich würde allen Ernstes durch den Regent's Park rennen und meinen Namen dabei schreien müssen. Ich holte tief Luft und trabte von Helen und Ivana weg – besser gesagt, weg von dem Pärchen auf der Parkbank und dem Mann, der seinen Hund Gassi führte –, lief los und schrie »Wild«. Okay,
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