Ein Zirkus für die Sterne
ab.«
Schwester Bunnis schüttelte immer noch den Kopf, als sie eine Zeitung unter dem Arm hervorzog und sie dem alten Mann auf den Schoß legte. »Hier ist Ihr Billboard, Mister Bolin.«
Er nahm die Zeitung, schlug sie auf und hielt sie sich vor das Gesicht. »Hmm.«
Schwester Bunnis wippte ungeduldig mit dem Fuß und verschränkte die Arme. »Mister Bolin, wenn Sie weiterhin so unausstehlich sind, werde ich den Doktor rufen müssen.«
Bolin ließ die Zeitung sinken und linste über den oberen Rand. »Soll ich Ihnen sagen, wohin Sie sich das Zeug noch stopfen können, Sie alter Drache?«
Die Schwester preßte die Arme eng an die Seite, lief rot an und ging wütend zur Tür. Sie öffnete und warf noch einen Blick auf den alten Mann im Bett. »Ich kann nicht begreifen, daß Sie Ihr ganzes Taschengeld für diese dumme Zeitung ausgeben. Sie sind zu alt, und es gibt sowieso keinen Zirkus mehr. Warum lassen Sie mich nicht das Abonnement kündigen? Dann könnten Sie sich eins von diesen Papier-Ausschneidespielen kaufen, die bei den anderen Patienten so beliebt sind.«
Eine runzelige Hand kam hinter der geöffneten Zeitung hervor, langte nach dem Wasserkrug aus rostfreiem Stahl und schleuderte ihn in die ungefähre Türrichtung. Dank häufiger Übung befand sich Schwester Bunnis schon auf dem Flur und hatte die Tür hinter sich zugezogen, als der Aufprall kam. Abner Bolin ließ seine Zeitung in den Schoß sinken, rutschte ein Stück auf seiner Matratze nach unten und legte den Kopf ins Kissen. Er spürte, wie ihm die Tränen in die Augen steigen wollten, doch er kämpfte sie zurück.
»Verdammtes altes Weibsstück.« Er drehte den Kopf auf die rechte Seite und starrte auf die kahle, gesichtslose Wand. Er erblickte das verblassende Bild seines alten Ichs, sein Kostüm aus rotem und gelbem Satin, seine rote Kappe mit den Schellen. Da stand Peru Abner, wie er einst über die Holzspäne tanzte und taumelte, goldenes Lachen am Ohr. Das Orchestrion stampfte seine Dampfmusik so laut hervor, daß alle Dudelsäcke sich nur noch mit den Fingern in den zarten Ohren zu Hause verkriechen konnten. Er schüttelte den Kopf und sah zur Tür hinüber. Heute ist heute, dachte er und richtete sich auf die nächste Runde mit Schwester Bunnis ein. Während er wartete, hob er seine Zeitung auf und fing zu lesen an.
Doktor Haag schaute finster hinter seinem Bart hervor, als er vor der Tür stehenblieb und sich Schwester Bunnis zuwandte. »Ich kann mich doch nicht um jeden dieser Tattergreise kümmern, der seinen Brei nicht essen will!«
»Herr Doktor, Mister Bolin ist gewalttätig geworden!«
»Hmm.« Er drehte sich um und stieß die Tür auf. »Also, wo ist er?«
Schwester Bunnis trat ins Zimmer. Das unordentliche Bett war leer, die Schranktür stand offen, und die Zeitung lag verstreut herum. Gerade als der Doktor seinen Kopf aus dem Schrank zurückzog, erhob sich Schwester Bunnis ächzend mit einer Zeitungsseite vom Boden. »Herr Doktor Haag?«
»Der Schrank ist leer. Haben Sie etwas gefunden?«
»Sehen Sie!« Mit ihrem dicken Finger zeigte sie auf eine Zeile in den Anzeigen. Sie lautete: Peru Abner, wo bist du?
»Was soll das bedeuten?«
Schwester Bunnis lächelte. »Er hat’s mir gesagt. Es bedeutet, daß ein Zirkus ihn sucht.« Sie las die Überschrift der Anzeige und runzelte die Stirn. »Er ist wahrscheinlich zur Probe zu dieser O’Hara-Show nach New York gegangen. Sollen wir … ihn melden?«
Haag schüttelte den Kopf. »Er ist kein Gefangener, und wir können das Bett brauchen.« Er drehte sich um und verließ das Zimmer. Schwester Bunnis überflog die Anzeige noch einmal, kam an die Zeile »Peru Abner, wo bist du?«, knüllte die Seite zusammen und drückte sie gegen ihren fülligen Busen. Sie sann einen Augenblick nach und nickte. »Gut
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