Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einarmig unter Blinden - Roman: Roman

Einarmig unter Blinden - Roman: Roman

Titel: Einarmig unter Blinden - Roman: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Jessen
Vom Netzwerk:
leiten und dich benoten. Nix mehr mit in der Pause Scout-Turnbeutel auf die Möhre hauen.
    Wir haben eine Mensa und eine Cafeteria. Da ich beschlossen habe, in meiner gesamten Hochschullaufbahn niemals »mensen« zu gehen, kann ich nicht sagen, wie es dort aussieht. Ich habe aber mal gehört, dass es dort eine »Stumiki-Ecke«, eine »Student-mit-Kind«- Ecke, geben soll.
    Die Cafeteria hat zwei Raucherräume und einen Nichtraucherraum. An allen Wänden hängen auf orange- oder apfelgrünem Papier gedruckte WG-Angebote, Anzeigen aller Art und Mitfahrgelegenheiten zum Pendeln. Überall liegen zerknüllte und drübergelatschte Flyer rum (DJ Dirk heute im »Relax«), Es gibt einen Kiosk und fünf Selbstbedienungskühlschränke, gefüllt mit allen möglichen Softdrinks und Kakao. Einen Kaffee- und Tee-Automaten, der nie benutzt wird, weil eigentlich jeder hier eine Thermosflasche mit angebautem Becher dabei hat. Meistens haben so viele ihren Studentenflachmann dabei, dass es unmöglich ist, sich in der Cafeteria auch nur zwei Minuten aufzuhalten: Es stinkt nach einem Mischmasch aus Heißgetränken. Die Kannen, vorzugsweise aus Aluminium, reflektieren das Licht auf unerträgliche Weise. Es ist, als schwimme man in einer Discokugel, gefüllt mit Caro-Kaffee und Vanille-Tee. Der Boden ist aus braunem Linoleum. Wahrscheinlich das Einzige, was aus der Bundeswehrzeit übernommen wurde.
    An der Toilette steht D/H. Es sind Unisextoiletten. Bedeutet für mich: kein AA in der Uni -D/H.
    An der Cafeteriakasse steht eine blonde Studentin. Ich habe mit ihr zusammen zwei Seminare. Ihre Haut ist ganz komisch durchsichtig. Man kann ihre Adern sehen. Besonders an den Armen. Sie tippt immer die Hälfte der ausgewählten Produkte ein, schaut fragend, deutet auf den Rest und fragt: »Das auch noch?« Natürlich das auch. Obwohl sie einem ihre Adern aufdrängt, wird sie auf alle Partys eingeladen. Sie wird das Uni-Luder genannt. Es heißt, sie sei »gut am Glied«. Bestimmt fragt sie die Jungs auch immer, ob sie »Das auch noch?« wollen.
    Ich habe heute nur eine Vorlesung. Medien/Public Relations. Die Dozentin sieht aus wie ein Kind von Rudi Carrell und Angela Merkel. Sie kommt aus dem Osten. Das bringt, neben dem farb- und materialtechnisch unsicher gewählten Outfit viel zu hohe »Früher haben wir aber …«-Ansprüche an die Lernbereitschaft der eben nicht mehr politisch unterjochten Untergebenen mit sich. Diese Vorlesung besuchen nur Erstsemester und ich. Ich bin im sechsten Semester.
    Eines der zahlreichen Probleme von Erstsemestern ist, dass sie sich auf dem Unicampus wie auf dem Filmset von Der Club der toten Dichter aufführen. Was sie noch unerträglicher als den Standardstudenten macht: Freigeist sein, den Professor duzen, volle Kanne kreativ sein. Letztens sind sogar zwei Mädels einer Vortragsgruppe während eines Referats zum Thema Theater bei dem Stichwort Shakespeare im Plenum aufgestanden und haben die Balkonszene aus Romeo und Julia nachgespielt. Meine Fresse. Die kommen auch am Nikolaustag mit roten Zipfelmützen in die Uni. Hier fällt mir immer wieder auf, wie traurig Deutschlands Zukunft ist – Pisa war noch eine Untertreibung.
    Als sie! und ich noch ein Paar waren, war mir die geistige Elite meines Vaterlandes egal. Ich hatte nur den letzten Streit oder schönen Abend mit ihr im Kopf. Habe jede Vorlesung gehasst, weil ich für anderthalb Stunden mein Handy ausschalten musste. Nicht erreichbar war, wenn sie! mich anrufen wollte. Nicht sofort zu ihr kommen konnte, wenn sie! oder ich es wollten.
    Die anderen und ihre Welt haben mich nicht interessiert. Meine Welt war sie!. Ihre Liebe war wie eine Brille. Keine rosarote. Sondern eine, die ich vor dem Rausgehen absetzen konnte.

EIf:
Schlägerei
    Wenn Bruce Willis ein Nogger ist, bin ich ein Softeis. Erdbeer. Tanzen kann ich nicht. Im Bett bin ich mittelmäßig. Wenigstens sehe ich ganz gut aus. Glaube ich.
    Ich sitze im A.C. Tennis-/Hockeyclub auf einer Treppe im Vorraum, rechts neben der gläsernen Eingangstür. Die Treppe, auf der ich sitze, führt zu der Wohnung des Clubheim-Pächterpärchens. Was für ein trauriger Job: verzogenen Gören in kurzen Hosen Apfelsaftschorlen servieren.
    Nach dem kleinen Vorraum folgt ein riesiger quadratischer Raum. Links ist eine Panorama-Gläserfront zu den Outdoortennisplätzen. Rechts ist die Bar (»Saurer ‘nen Euro, Bier drei Euro!«). An den Wänden hängen Urkunden der Hockey- und Tennismannschaften. Überall stehen Stühle aus

Weitere Kostenlose Bücher