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Einarmig unter Blinden - Roman: Roman

Einarmig unter Blinden - Roman: Roman

Titel: Einarmig unter Blinden - Roman: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Jessen
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dunkelbrauner Eiche. Die Sitzflächen sind mit grünem Samt bezogen. Auf vier Stühle kommt ein Tisch. Es gibt um die 60 Stühle.
    Wie gesagt, ich sitze im Vorraum mit Carsten. Carsten ist ein Soldat. Er war schon ein Soldat, bevor er seinen Wehrdienst geleistet hat. Er ist obrigkeitshörig wie ein Ossi. Führt präzise aus, was man ihm sagt. Ohne es zu hinterfragen. Er wird im mittleren Management bei Esso enden. Seinen Kindern erzählen, dass er den ganzen Laden alleine schmeißt, und glauben, dass er glücklich ist. Ich trage einen blauen Blazer und eine beige Hose.
    Ich habe gehofft sie! hier zu treffen. Doch sie! ist nicht hier. Kommt wohl auch nicht mehr. Dafür ist es schon zu spät. Nach vier. Ich bin sogar noch mal nach Hause gefahren, um mich umzuziehen: Blazerpflicht.
    Wir sitzen auf der obersten Stufe. Draußen ist es eiskalt. Knapp über null. Gestern hat es noch geschneit.
    Aus dem Hauptraum dröhnt Horny von Mousse T. Wenn ich gut drauf bin, singe ich immer beim Refrain statt »I’m horny« »Ich bin läufig – läufig läufig läufig«. Aber danach ist mir heute wirklich nicht. Drei Stufen unter mir sitzt ein Typ, der Thomas heißt, neben einem farbigen Mädchen. Thomas ist der Prototyp eines Hockeyspielers. Ich glaube, er spielt sogar für die Nationalmannschaft. Er ist wahrscheinlich 1,95 Meter groß, sehr dünn und hat braune Haare. Er sitzt links neben ihr. Sein Arm liegt wie eine Schlange um ihren Hals. Sein angespannter Bizeps liegt in ihrem Nacken. Seine Hand berührt ihren Brustansatz. Thomas will heute wohl auch noch seine einäugige Schlange rausholen. Jemand hat mir mal erzählt, dass das Schamhaar von Schwarzen härter ist als das von Weißen – wie Schmirgelpapier oder Draht.
    Carsten und ich reden über unsere Bundeswehrerlebnisse. Wir lachen beide, er fröhlich, ich gequält. »Tommsen«, so nennen ihn seine duften Hockeykumpels, dreht sich zu uns um: »Haltet die Fresse.«
    Wir lachen weiter.
    »Ich habe gesagt, ihr Penner sollt eure Schnauze halten! Die Pächter wollen schlafen.«
    Ich bin zu traurig, um aggressiv zu reagieren, und sage betont gelangweilt, dass die Musik lauter als wir ist und die Pächter sowieso noch ausschenken würden. Natürlich weiß Thomas das auch – er spielt für diesen Club. Er will das Mädel beeindrucken. So eine Art Vollidiot-Vorspiel.
    Auf einmal springt er auf. Springt hastig die drei Stufen zu uns herauf. »Verpisst euch! Haut ab! Ich will euch hier nicht haben. Wenn ihr nicht geht, hole ich mein Team.«
    Wir lachen, Carsten laut, ich ängstlich. Dann geht alles ganz schnell. »Tommsen« packt sich Carsten (zum Glück!), seine linke Hand hat sich am Revers von Carstens schwarzem Jackett festgekrallt. Er schlägt ihm zweimal ins Gesicht. Die Farbige fängt an zu schreien. Carsten geht zu Boden. Den Überraschungsangriff konnte er nicht mehr wettmachen. Pearl Harbour, mitten in sein Gesicht.
    Carsten ist keiner meiner besten Freunde. Eher ein mittelmäßiger Bekannter. Ich glaube, dass man jemanden sehr gerne mögen muss, um für ihn zu kämpfen. So und so. Ich mag ihn schon. Aber eben nicht so dolle. Daher kann ich nicht sagen, weshalb, wie und woher das kommt, was ich jetzt mache.
    Zweimal habe ich Hockey-Thomas bereits gut getroffen. Er ist sehr groß, darum musste ich beim ersten Schlag springen. Meine Hand schmerzt. Der Alk tut bei ihm und mir den Rest. Er ist schwer angeschlagen.
    Während wir weiter munter aufeinander einschlagen, stolpern wir die Eingangstür hinaus. Thomas knickt ein. Ich höre die Farbige schreien. Auch er hat mich ein paar Mal getroffen. Aufs linke Ohr. Mir ist schwindelig. Wo sie steht, kann ich nicht sagen.
    Ausklinken: Fünf-, sechsmal schlage ich ihm noch ins Gesicht. Auf die Schläfe. Auf die Nase. Auf den Hals. Er krabbelt auf allen vieren. Er blutet aus der Nase. Unter dem Auge hat er einen Riss. Da seine rechte Gesichtshälfte voller Blut ist, weiß ich nicht, ob er auch aus dem Ohr blutet oder ob es nur Nasenblut ist. Seine Arme knicken weg. Mit dem Oberkörper liegt er in einem Rhododendron, der im Sommer rosa blüht. Sein Anzug ist mit Matsch und Blut verschmiert. Er würgt ein »Das kriegst du wieder« heraus. Dann fängt er an zu weinen.
    Ich schnappe mir Carsten. Wir rennen.
    Ich wollte sie! einfach nur sehen.

Zwölf:
Sperma ist seltsam …
    Mein Sperma ist seltsam. Manchmal glaube ich, dass es pures, konzentriertes Selbstbewusstsein ist. Eine Art Wunderdroge. Ähnlich wie Popeye-Spinat. Gebe ich es bei

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