Einarmig unter Blinden - Roman: Roman
Also die auch noch rauf aufs Gepäckband. Knack. Verhoben.
Meinen geliebten Laptop wollte ich auf keinen Fall in die Macht der indischen British-Airways-Mafia geben. Also, neue Tasche kaufen: Ich erstand einen dieser Jutebeutel, mit denen »Ich hab es passend«-Omas zum Einkäufen und langhaarige Bombenleger zur Schule gehen. Dunkelblau, mit orangem Hamburgprint, für 3,20 Euro.
Zu meinem Erstaunen gibt es auf dem Flughafen eine Apotheke. Eine Nepp-Apotheke, die wie ein Bordell funktioniert. Die wissen ganz genau, wenn du zu ihnen kommst, ist dein Leiden so groß, dass du dir nicht mehr anders zu helfen weißt. Im Puff wichsen oder blasen sie dir einen an, und kurz bevor die Sache wirklich interessant wird, erhöhen sie dann plötzlich den vereinbarten Preis. Stand jedenfalls letzte Woche in der Max.
Nach dem anfänglichen Glücksgefühl, kurz vor einem (schmerzhaften) Abflug eine Apotheke gefunden zu haben, kommt an der Kasse die Ernüchterung. Die wollen wirklich 18 Euro für zwei lausige Abc-Wärmepflaster haben. Eigentlich ein Freifahrtschein, solche Leute umgehend umzukloppen.
Boarding: Auf nach Barcelona. Meine Stimmung schwankt im Minutentakt – von Kid Rock zu Robbie Williams. Ich fliege mit Iberia weiter. Das Design von Iberia-Fliegern ist noch unattraktiver als das der British Airways.
Im Flugzeug ist es wie immer. Der schwule Steward grüßt, nickt und zeigt Richtung Sitz. Mich würde interessieren, ob die Leute ohne diese Richtungsanweisung in das Cockpit latschen würden. Von innen sehen Flugzeuge alle gleich aus. Die Verhaltensmuster von Menschen im sichersten Fortbewegungsmittel sind auch immer gleich: Hektisch wird das Handgepäck unter dem Sitz verstaut, dann auf Anweisung des Stewards doch, »bitte schön«, ins Handgepäckfach umgelagert. Jetzt geht alle fünf Reihen die Nerv-Diskussion um Sitzplätze los (nur Economy): »Nein, Sie sitzen 13a, das hier ist 12b!« Aber lassen wir das.
Neben mir sitzt ein Schwarzer. Er trägt schwarze Airmax. Merken! Kaufen! Abenteuerlust und Trauer wechseln sich im Sekundentakt ab. Ich habe sie am Mittwoch das letzte Mal gesehen.
sie hat mit ihrem Vater Weihnachtsgeschenke gekauft. Der Gedanke, dass in ihren Tüten keines für mich ist, brachte mich fast um. Mir wurde klar, dass ich die Feiertage zu Hause, ohne Morphium abhängig zu werden, nicht überstehen würde. Also beschloss ich abzuhauen. Ich bleibe zwei Monate in Barcelona. Zum Glück sind meine Eltern genauso reich wie verständnisvoll.
Ist das verwegen, mutig oder feige? Armselige Flucht oder teutonischer Neuanfang? Ich kann mich nicht entscheiden. Will es lieber auch gar nicht. Ich weiß nur, dass es so mit mir nicht weitergehen kann. Ohnmächtig und fremdgesteuert. In den Fängen eines abartigen Bruders der Liebe. Belogen und abserviert.
Auch wenn die Selbstfindung in der Ferne von Alexander von Schönburg, Christian Kracht, Joachim Bessing, Benjamin von Stuckrad-Barre und so weiter in ihrer Pop-Autorenrunde im Adlon (Tristesse Royal) lächerlich gemacht wurde: Ich merke schon in den ersten Sekunden nach dem Boarding, dass Ballast von mir abfällt. Ich wusste, dass da eine Menge Mist auf meinen Schultern lag. Ich hatte aber keine Ahnung, dass es so viel war.
Der Flughafen Barcelona gefällt mir nicht.
Ich gehe zur Gepäckausgabe. Dann passiert etwas, was ich nie für möglich gehalten hätte: Meine beiden Eishockeytaschen werden als Erstes herausgespuckt. Beide hintereinander. Ich habe ein Gefühl wie ein 18-Jähriger, der zum ersten Mal an einer wartenden Schlange vorbeigehen darf, weil er auf der VIP-Liste steht. Etwas auf meine Stimmung schlägt allerdings, dass ich mir einen Gepäckwagen mit meiner Kreditkarte gezogen habe, es aber direkt neben der Ausgabe viel schönere, kostenlose Wagen gibt.
Ich winke ein Taxi herbei. Es ist zur Hälfte schwarz, zur anderen gelb. Oben, da wo bei deutschen Taxen das Taxischild leuchtet, flimmert eine grüne Lampe und daneben stehen die Zahlen 1, 2 und 3. Wenn die grüne Lampe leuchtet, ist es frei. Soweit komme ich noch mit, doch was 1, 2 und 3 bedeuten, erschließt sich mir nicht. Der Fahrer trägt einen verfilzten, roten Rundhalspullover, hat kurze schwarze Haare, aber einen grauen Bart. Er sieht lustig aus. Ich frage, ob er Englisch spricht.
»He?«
Also nicht, toll. Ich überlege, welcher deutsche Taxifahrer wohl Spanisch kann und vergebe ihm deshalb. Er wird ungeduldig. Ich krame aus meiner Jackentasche die Adresse hervor und lächele ihn an. Er
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