Eindeutig Liebe - Roman
während ich neben ihr saß und ängstlich auf den großen Knall wartete. Auf die Krallen und die Tränen. Sie fuhr mit dem Zeigefinger einige der Fotos nach, las die Bons und Eintrittskarten und versuchte, ruhig und zufrieden auszusehen. Doch sie täuschte es nur vor. Das merkte ich deutlich.
Sie sah alles: die Fotos aus dem Passbildautomaten, die Reise nach Amsterdam, sogar den Zettel der Reinigung, in die sie ihre Klamotten hatte bringen müssen, nachdem ich einmal in einem französischen Restaurant ein Knoblauchhähnchen in ihren Schoß fallen lassen hatte. (Lange Geschichte.) Schließlich kam Chloe ans Ende, klappte das Buch mit einem Knall zu, holte tief Luft und wandte sich wieder dem Fernseher zu. Schweigen.
»Na, komm schon, Chloe …«, begann ich.
»Was soll das heißen, komm schon? Warum hast du mir nicht davon erzählt?«, fragte sie, und Tränen quollen ihr aus den Augen.
In meinem Magen breitete sich wieder dieses Gefühl des nahenden Untergangs aus. »Ich hatte befürchtet, dass du so reagieren würdest, Chloe. Das ist der Grund, weshalb ich nichts gesagt habe.« Ich seufzte, weil mir klar wurde, dass es so noch schlimmer aussehen musste.
Sie starrte weiter auf den Fernseher und schob sich ein Stück lockeres Naan-Brot in den Mund, während ihr Kinn bebte. Wieder lief eine dicke Träne ihre Wange hinunter. »Das ist zu viel, Nick. Mir gefällt das Ganze überhaupt nicht«, sagte sie und wischte sich mit zittriger Hand das Gesicht ab. Ihre Tränen fielen nun schneller.
Ich schob mich dichter an sie heran und legte meinen Arm um ihre schmalen Schultern. Ich verstand, weshalb die Sache sie so aufwühlte, aber ich wusste auch, dass ich mir nichts vorzuwerfen hatte.
»Hör zu, Liebling. Es tut mir leid, dass ich es dir nicht gezeigt habe. Aber sie meint es nicht böse. Wenn du Sienna ein bisschen besser kennen würdest, dann würdest du vielleicht auch verstehen, wie sie wirklich ist.« Ich bereute meine Worte sofort.
»Glaubst du, wir würden miteinander auskommen?«, fragte sie. Ich war mir nicht sicher, ob sie es sarkastisch meinte.
Würden Chloe und Sienna miteinander auskommen? Chloe: blonde katzenhafte Sexbombe mit explosivem Temperament und überschäumender Libido. Ein rauchendes, trinkendes, wildes Kind. Sienna: ein Engel von natürlicher (sogar atemberaubender) Schönheit, der seinen größten Wutanfall in Soho bekommen hatte, als meine Brieftasche gestohlen wurde und die Polizei nicht bereit war, eine Anzeige aufzunehmen. (Und selbst da hatte sie nur leicht die Stimme erhoben und mit der Faust auf den Tisch gehauen.) Kümmert sich um ihren kranken Vater, rettet ihre Freunde. Ruhig, engagiert, treu und vertrauensselig.
Wahrscheinlich nicht.
»Ja, sicher würdet ihr miteinander auskommen«, behauptete ich und hoffte, wir könnten das Thema wechseln. Plötzlich stellte ich mir vor, wie sie in Cafés zusammensaßen, Kekse aßen und über die Größe meines Glieds witzelten. Am Ende würde Chloe Sienna noch erzählen, dass ich im Schlaf furze.
»Na, gut, dann fädeln wir das mal ein«, sagte sie. Es war also ihr Ernst.
»Was?«, fragte ich.
»Egal was.«
»Okay«, erklärte ich mich einverstanden und nahm ein Stück Huhn, das mit köstlicher Soße getränkt war.
»Gibst du mir ihre Nummer?«
»Mache ich. Aber jetzt esse ich erst mal. Ich gebe sie dir gleich, ja?«, antwortete ich und hoffte verzweifelt, dass sie es gleich vergessen haben würde.
Chloe nickte und stellte den Fernseher lauter. Das Gerät überfiel meine Ohren mit einem unmusikalischen Bauunternehmer aus Stoke, der in seinem Leben etliche Schicksalsschläge erlitten hatte und deshalb offensichtlich das Bedürfnis verspürte, zum Ausgleich live im TV die britische Öffentlichkeit zu quälen.
»Ich habe einen guten Film, den wir uns ansehen könnten«, schlug ich vor, während ich die schmutzigen Teller abräumte. Ich war froh, dass die ganze Geschichte nicht zu einem richtigen Streit ausgeartet war. Stattdessen hatte ich jede Menge Schuldgefühle wegen Tausender Kilokalorien, die wir gerade zu uns genommen hatten, aber ich war mir ziemlich sicher, dass wir einige davon mit ein paar Stündchen Matratzensport verbrennen würden. Das hieß, wenn Chloe dann nicht mehr wütend wäre …
»Klingt prima«, antwortete sie und trat sich ihre niedlichen Slipper von den Füßen. Der aufkommende Sturm schien vorübergezogen zu sein.
Als ich Chloe von der Tür aus betrachtete, sah ich, dass sie mit einem zufriedenen Gesicht auf
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