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Eindeutig Liebe - Roman

Eindeutig Liebe - Roman

Titel: Eindeutig Liebe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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Wohnheimen würde er etwas zu essen bekommen und sein eigenes Zimmer haben. Es war zumindest eine Chance.
    Zaghaft näherten wir uns dem Park, der sich vor uns ausbreitete wie eine riesige grüne Decke. Wir mussten nur um ein paar Ecken biegen, dann sahen wir auch schon den umgestürzten Baum, und zu meiner Erleichterung war Pete da. Er saß auf dem Stamm und spielte mit einem Stumpf zu seinen Füßen. Ich ging langsam zu ihm hinüber. Die Angst schnürte mir die Kehle zu. Er bemerkte mich nicht, bis ich ganz dicht vor ihm stand.
    »Pete«, sagte ich leise.
    Er zuckte zusammen. »Ach, hallo, Liebes«, erwiderte er und sah Laura, die hinter mir stand, erstaunt an. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er schien zu begreifen, was hier gerade passierte. Ich kniete mich nieder, sodass wir auf Augenhöhe waren, und legte meine Hand auf seine.
    »Pete, bitte sei mir nicht böse …«, setzte ich zu einer Erklärung an, doch er unterbrach mich, indem er sich zu mir beugte und mir, während seine Bartstoppeln über mein Gesicht streiften, ins Ohr flüsterte: »Wer ist die Frau mit dem Klemmbrett, Si? Wer ist sie? Was hast du getan?«
    Er klang wütend. Er hatte die Augen so fest zusammengekniffen, dass sich ringsum Falten bildeten. Ich kannte seine Feindseligkeit von damals, als ich sein Foto zu lange behalten hatte, und von dem Tag, als ich ihn nach der Prügelei gefragt hatte. Ich wusste, wohin das führen würde. Mir blieben die Worte im Hals stecken.
    Laura schien das zu bemerken und trat näher. »Pete, ich heiße Laura, und ich komme von einer Obdachloseninitiative«, sagte sie liebevoll und hielt ihm die Hand hin.
    Er spuckte auf den Boden und grunzte, dann zog er das graue T-Shirt über die Knie, sodass es sich spannte.
    Das Spucken, die Wut … Das war das typische Verhalten eines zornigen, verängstigten Teenagers und weit entfernt von dem intelligenten Mann, der Pete war und den ich mittlerweile gut leiden konnte. Das, was wir hier sahen, war nicht der Pete, den ich kannte und den ich Laura hatte vorstellen wollen. Das hier war der wütende Pete, der mit Bierdosen gegen Bürofenster warf. Ich hatte gehofft, dass neulich nur der Alkohol aus ihm gesprochen hatte, doch jetzt wirkte er nüchtern, und trotzdem war er immer noch wütend. Dabei wollte ich doch nur, dass er Laura zeigte, wer er wirklich war. Dass er ein kluger, liebevoller Mensch war, der sich bloß ein wenig verirrt hatte. Komm schon, Pete. Das ist deine Chance …
    »Was wollen Sie, Laura?« Er hob die Stimme und warf die Arme in die Luft. »Sie wollen mir helfen? Ich kann Ihnen gleich sagen, dass ich keine Hilfe verdient habe. Ich habe mich selbst in diese Scheiße hineingeritten und komme da auch von selbst wieder raus – allein.« Er zog die Beine noch enger an seine Brust. Das Plastiklogo auf dem T-Shirt wurde überdehnt und löste sich an den Stellen, wo es riss. Er kniff frustriert die Augen zu.
    »Okay, ich glaube, wir sollten gehen«, sagte ich zu Laura. Ich hatte alles verpfuscht. Ich hätte mich nie einmischen dürfen. Doch Laura achtete gar nicht auf mich, sondern setzte sich neben Pete.
    »Okay, Pete. Ich möchte nur mit Ihnen reden, in Ordnung? Sie brauchen nichts zu tun, was Sie nicht tun wollen. Wir werden Sie nirgendwo hinbringen, wir werden Ihnen nichts aufdrängen. Werden Sie kurz mit mir sprechen?« Sie sah ihn an, doch er starrte auf den Boden, als versuchte er, ihn mit seinem Blick zu durchbohren und mit den Würmern zu sprechen. Obwohl ich lieber Abstand hielt, lauschte ich jedem Wort, das sie sagte.
    »Wie hat das alles angefangen? Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mir Notizen mache, oder?«, fragte sie direkt und unverblümt, zog den Kugelschreiber von dem Klemmbrett, an dem er steckte, und setzte ihn aufs Papier.
    »Wie wollen Sie mir denn helfen? Niemand kann mir helfen. Auf dieser Welt gibt’s nichts umsonst«, brummte er und sah Laura endlich an. Ich hatte Angst. Ich war panisch vor lauter Angst, ich könnte einen Riesenfehler begangen haben. Einen Fehler, der drei Jahre behutsamer Freundschaft zunichtemachen konnte.
    Schweigen. Langes, tiefes Schweigen. Ein Eichhörnchen eilte den Baum entlang, packte die Rinde fest mit den Pfoten und blickte nervös hin und her. Es lenkte Pete ab; er beobachtete jede seiner Bewegungen und begann, leise in sich hineinzulachen. Es war irgendwie seltsam, dieses Lachen … geradezu boshaft; es klang frustriert. Doch plötzlich schien er weich zu werden, und nach einigen Minuten

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