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Eindeutig Liebe - Roman

Eindeutig Liebe - Roman

Titel: Eindeutig Liebe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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Bewegung setzte und Petes Leben sich vielleicht für immer verändern würde – zum Besseren. Ich wusste aber auch, dass damit ein Risiko verbunden war. Ein gewaltiges Risiko. Bei mehr als einer Gelegenheit hatte ich die entsetzlichen Wutausbrüche erlebt, zu denen er fähig war, und ich wusste, dass es auch heute zu einem kommen konnte. Was ich vorhatte, erforderte eine Menge Mut, und ich hatte furchtbare Angst, dass er mich dafür hassen würde.
    Als ich mich durch die Menge schlängelte, entdeckte ich Laura, die bei den Fahrkartenautomaten stand. Man erkannte sie schon auf eine Meile Entfernung. Sie hatte dicke blonde Rastalocken mit blauen und roten Strähnen. Sie sah merkwürdig aus, aber auf eine faszinierende und schöne Weise. In ihrem zierlichen Gesicht blitzten ein kleines Nasenpiercing und ebenso kleine weiße Zähne auf; es wirkte fast zu verletzlich, um von solch einem wilden Mopp aus verfilztem Haar umgeben zu sein.
    »Hallo, Sienna«, begrüßte sie mich und nahm mich in die Arme.
    Sie trug eine sackartige Jeans mit einem schwarzen Top und klobige Turnschuhe. Sie gehörte zu der Sorte Mädchen, die mich als Jugendliche eingeschüchtert hatte, weil sie ein bisschen zu cool war. Jetzt betrachtete ich sie nur und fragte mich, was sie schon alles hinter sich haben mochte, woher sie kam und wie sie an diesen ungewöhnlichen Job geraten war: Sozialarbeiterin, die Menschen mit einem ruinierten Leben in den Straßen der Stadt aufsammelte.
    »Hallo, Laura, ich danke dir sehr, dass du gekommen bist. Ich bin richtig aufgeregt«, gab ich zu und bemerkte, dass ich nervös mit meinem Haar spielte.
    »Nur keine Sorge. Wir schaffen das schon. Weißt du denn, wo er jetzt sein könnte?«, fragte sie und neigte fragend den Kopf zur Seite. Sie sah aus wie ein Hündchen. Dann nahm sie einen großen Klumpen rosa Kaugummi aus dem Mund und warf ihn in einen Mülleimer. Unter einem Arm hielt sie ein schwarzes Klemmbrett, an dem ein Kugelschreiber hing.
    »Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass wir ihn finden werden.«
    Mir wurde übel. Das hier war wirklich beängstigend. Tat ich das Richtige?
    »Gut. Weißt du noch, was ich dir gesagt hab, als wir telefoniert haben?«, erkundigte sie sich und hob eine Augenbraue.
    Das Telefonat. Das Telefonat … Es hatte lange gedauert, und ich war nervös gewesen. Ich erinnerte mich nur noch verschwommen.
    »Ich habe dir dargelegt, wie er reagieren könnte. Es kommt sehr häufig vor, dass jemand aggressiv wird, wenn wir ihn ansprechen. Obdachlose haben in vielerlei Hinsicht unglaublich festgefahrene Gewohnheiten: Sie sehen oft keinen Ausweg mehr aus ihrer Situation und haben einen völlig neuen Lebensstil entwickelt, völlig neue Werte übernommen.« Während sie sprach, schwenkte sie den Arm durch die Luft, als wolle sie mir die Dramatik der Lage verdeutlichen. »Ich sage nur, dass es eventuell mehr als einen Versuch erfordern wird, okay?«
    Mehr als einen Versuch? Ich war mir nicht sicher, ob das ging. Was, wenn er uns beim ersten Mal wegjagte und dann nie wieder mit mir redete? Was, wenn er weglief und verschwand und ich nie eine Gelegenheit bekam, ihm alles zu erklären?
    »Gehen wir«, forderte sie mich auf und zog mich sanft vom Bahnhof weg.
    »Ich glaube, er wird in dem Park hier in der Nähe sein«, vermutete ich. »Da gibt es einen Baum, den er mag, einen umgestürzten Baumstamm, genauer gesagt. Dort finde ich ihn oft.« Ich fing an zu zittern. Mir wurde richtig heiß vor lauter Anspannung. Ich spürte, dass meine Ohren rot waren – und meine Wangen ebenfalls. Das hier bedeutete mir so viel. Es bedeutete mir die Welt.
    »Wenn wir ihn finden, gehst du vor mir her auf ihn zu und erklärst ihm, wer ich bin, und dass du dich mit uns in Verbindung gesetzt hast, okay? Ich werde die ganze Zeit hinter dir stehen. Danach übernehme ich, ja?« Sie sah mir in die Augen, als wäre das, was sie mir gerade gesagt hatte, das Wichtigste von allem. Ich musste mich zusammenreißen, um ihr auch nur zuzuhören.
    »Okay«, stimmte ich zu. Ich musste ihr vertrauen. Diese Leute wussten schließlich, was sie taten. Sie hatte mir genau erklärt, wie es ablaufen würde, als wir miteinander telefoniert hatten. Wenn Pete wollte, konnte er vorübergehend in ein Wohnheim ziehen – das zugegebenermaßen nicht besonders toll war –, bis sie eine bessere Unterkunft für ihn aufgetrieben hätten. Von dort aus konnte er dann, wenn er sich selbst helfen wollte, einen Job suchen und eine anständige Wohnung. In den

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