Eindeutig Liebe - Roman
gekommen«, sagte ich desinteressiert, als hätte ich sie gerade erst entdeckt, obwohl ich sie in Wirklichkeit bereits seit Ewigkeiten anstarrte. Ben kniff sich wahrscheinlich jeden Morgen nach dem Aufwachen, um sicherzugehen, dass er nicht träumte.
Auch Chloe sieht gut aus, dachte ich, als sie sich hinsetzte und ihr Glas Wein viel zu schnell herunterstürzte.
»Locker, Chloe«, bat ich und hoffte inständig, dass sie es heute Abend nicht auf ein Drama anlegte. Wenn sie trank, war sie besonders gefährlich. Ich betrachtete sie über den Tisch hinweg. Sie hatte ihr Gesicht zu einem spöttischen Ausdruck verzogen, der Reue vorgaukeln sollte. In ihrem Korsettkleid im Nude-Look sah sie engelhafter aus, als sie war. Dazu trug sie hochhackige Schuhe, die ihre Wadenmuskeln betonten. Wenn sie vor mir herging, trieb es mich fast in den Wahnsinn. Chloe bedeutete Ärger – genau wie alle anderen Frauen auch.
Ich hatte eine Reihe psychisch instabile Freundinnen gehabt, und Chloe stand an der untersten Stelle auf einer Liste, die beunruhigend lang geworden war. Nachdem Amelia vor meiner Tür Rotz und Wasser geheult hatte – das Geräusch verfolgt mich heute noch – und Kate mich immer benutzt hatte, um ihr Selbstvertrauen aufzupolieren, sobald sie ihr eigenes verloren hatte, überlegte ich häufig, ob ich mich nicht ständig den falschen Frauen zuwendete. Denn erst seit Chloe bei mir eingezogen war, hatte ich das ganze Ausmaß ihrer Labilität begriffen. Ich scheine schwierige Frauen anzuziehen wie ein Magnet. Dieser Schlag ins Gesicht vor ein paar Monaten war jedenfalls vergleichsweise nichts gewesen und nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte.
Zwischen uns gibt es ständig Wortwechsel und Streits, bei denen wir einander in den frühen Morgenstunden ankeifen wie wild gewordene Tiere. Dann kommt der Sex, dieser überdrehte »Ich-liebe-dich-es-tut-mir-so-leid-lass-uns-nie-wieder-streiten«-Sex. Das Beißen, das Kratzen, das Küssen – es ist kompletter Irrsinn. Es laugt mich aus. Ich weiß nicht, ob ich noch lange durchhalte. Chloe ist eifersüchtig und besitzergreifend, voller Selbstzweifel und Wut, aber sie ist auch schön, mitfühlend, liebe- und humorvoll. Sie ist ein zweischneidiges Schwert. Süß und sauer. Vollkommen geistesgestört.
»Wieso siehst du mich so an, Nick?«, fragte sie. Langsam und aufreizend leckte sie an der Spitze ihres Messers, auf dem ein wenig Pastete von den Appetithäppchen klebte, die auf dem Tisch standen.
»Oh, nur weil du so schön bist«, antwortete ich und zog ihre Hand, die das Messer hielt, sanft zwischen die billigen Knallbonbons und die mit einem Textverarbeitungsprogramm gestalteten Speisekarten, bevor sie sich noch die Zunge spaltete und aussah wie eine Schlange. Sie schmolz sichtlich dahin und fuhr unter dem Tischtuch mit der Hand an meinem Hosenbein entlang nach oben.
»Verflucht, Chloe – lass das!«, flüsterte ich schelmisch, drückte ihre Hand und zuckte nach vorn, weil sie mich kitzelte. Eine Kerze auf der Tischmitte begann zu kippeln, und ich fing sie gerade noch rechtzeitig auf. Trotzdem spritzte das flüssige Wachs in alle Richtungen.
Nachdem Sienna die königliche Parade hinter sich gebracht, jedem die Hand geschüttelt und Ben allen vorgestellt hatte, kam sie schließlich an unseren Tisch. »Hallo, Wolfie«, sagte sie, beugte sich vor und küsste mich mit einem albernen Lächeln sanft auf die Wange.
Ihr Duft umwehte mich und ließ mich ein paar Sekunden lang verstummen, dann riss ich mich zusammen, stand auf und schüttelte Ben die Hand. Sie und Chloe küssten einander auf die Wangen, und bald saßen wir Seite an Seite, vor uns auf dem Tisch Teller mit Tomaten-Lauch-Suppe.
Chloe leckte immer wieder anzüglich den Löffel ab, sobald die anderen auf ihren Teller sahen. In der Hoffnung, sie würde aufhören, trat ich ihr leicht gegen das Schienbein. Sie brachte mich in Verlegenheit.
»Und, wie läuft es im Verlag?«, fragte Ben Chloe und mich und lächelte wissend – wie jeder, wenn er hört, wo wir uns kennengelernt haben. Jeder glaubt, es wäre etwas peinlich. Und sie haben recht. Ich bin so froh, dass wir in verschiedenen Abteilungen arbeiten – mit jemandem zusammenzuwohnen und gleichzeitig direkt zusammenzuarbeiten würde mich in den Wahnsinn treiben.
»Wunderbar, danke. Und wir genießen es auch sehr, dass wir jetzt zusammenwohnen«, erwiderte ich und nahm eine Scheibe Brot aus dem Korb in der Mitte des Tisches.
Doch das entsprach
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