Eindeutig Liebe - Roman
war froh über die Ablenkung. Also hob ich es vom Boden auf und drohte ihm quer durch den Saal. Dann lachte ich in mich hinein und drehte mich wieder um.
»Nur unter uns, Sienna, es könnte sein, dass ich einen ziemlich guten Job in Aussicht habe«, verriet Chloe. Sie beugte sich zu Si vor und lächelte sie an. Perfekter Themenwechsel. Das war mein Mädchen.
»Tatsächlich? Erzähl mir mehr darüber«, bat Sienna und wischte mit etwas Brot die Reste von ihrem Teller.
»Ich glaube, dass Sarah … Du weißt schon, die Redakteurin von SparkNotes? … Ich glaube, dass sie uns in ein paar Monaten verlässt, aber das musst du für dich behalten …« Sie hatte nun die Stimme gesenkt.
Während die beiden miteinander tratschten, ergriff ich die Gelegenheit, um mit Ben zu reden. »Bist du sicher, dass alles okay ist?«, fragte ich. Das war ein mutiger Schritt für mich. Ich kam noch immer nicht über das hinweg, was er gesagt hatte. Sienna hatte immer wieder betont, dass ihn unsere Freundschaft gar nicht interessiere, und deshalb hatte mich seine Bemerkung ein bisschen wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen.
»Ich weiß es nicht«, gestand er leise und krümmte sich, als laste das Gewicht der ganzen Welt auf seinen Schultern. Ach du Scheiße, dachte ich. Jetzt kommt’s!
»Meinem Vater geht es nicht gut, Nick. Vielmehr sogar wirklich schlecht, geistig, meine ich. Es wird mir langsam alles ein bisschen zu viel, wenn ich ehrlich bin. Dauernd sage ich so blödes Zeug, weißt du – fahre Leute an, die überhaupt nichts falsch gemacht haben. Ich fühle mich allein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand das versteht.«
Das bewunderte ich an ihm: seine Ehrlichkeit. Ich verstand, wieso Sienna ihn mochte.
»Es tut mir leid, das zu hören. Ich weiß, wie es ist, wenn man Stress hat. Man ist dann manchmal ein bisschen angespannt«, versicherte ich und versuchte, ihn ein wenig zu trösten.
Er lehnte sich näher zu mir herüber und senkte die Stimme, ohne die Frauen dabei aus den Augen zu lassen. »Ich behandle sie nicht richtig. Das weiß ich, aber ich kann nicht überall gleichzeitig sein. Ich glaube nicht, dass ich im Moment gut genug für sie bin.«
Ich zuckte leicht zusammen und sah zu Chloe und Sienna hinüber. Ich hoffte, dass sie uns nicht hörten. Wow. Das nannte ich aufrichtig. Und es bedeutete, dass ich nun eine große Verantwortung hatte. Alles, was ich jetzt sagte, konnte über die Zukunft meiner besten Freundin entscheiden.
Ich sah sie an, wie sie dort saß, in ihrem Kleid, das ihren Hals frei ließ und ihre zierlichen Schlüsselbeine zeigte. Sie lachte mit Chloe und spielte mit einer Haarsträhne. Beide schienen ganz in das Gespräch vertieft zu sein.
»Gut, okay … Ich möchte jetzt nichts Falsches sagen. Was wirst du tun?«, fragte ich und flüsterte so leise, dass es kaum zu hören war. Einen Augenblick lang sahen wir uns in die Augen. Fast konnte ich die Angst in seinen Pupillen sehen.
»Mich trennen«, erklärte er, ohne mit der Wimper zu zucken.
Mich überlief es eiskalt. Entsetzt warf ich einen Blick zu Sienna hinüber und flehte zu Gott, dass sie nichts gehört hatte. Aber sie und Chloe achteten überhaupt nicht auf ihre Umgebung. Ich rutschte unbehaglich auf meinem Stuhl hin und her und versuchte, dabei so auszusehen, dass ich keinen Verdacht erweckte. Dabei hätte ich Ben am liebsten an den Schultern gepackt und ihn so lange geschüttelt, bis er wieder zur Vernunft kam. Was denkst du dir eigentlich dabei? Ich fühlte mich schuldig, obwohl er es war, der von Trennung gesprochen hatte, nicht ich. Es war, als hinterginge ich sie schon dadurch, dass ich ihm zuhörte.
»Was? Ben, nein, komm schon. Ich bin mir sicher, dass ihr darüber hinwegkommt«, beschwor ich ihn. Der Gedanke, dass sie verletzt werden könnte, war unerträglich für mich. Sienna. Verlassen. Alleingelassen. »Sie mag dich wirklich, Mann. Denk noch mal darüber nach.« Jetzt fing ich schon an zu betteln.
Das war so daneben. Warum sagte er mir das, während Sienna nur einen Meter von uns entfernt saß? Wer stolz behaupten konnte, dass Sienna Walker seine Freundin war, der gab ihr doch nicht einfach so den Laufpass! Er küsste sie dauernd! Er hielt sie jede Nacht in seinen Armen! Er tat alles für sie …
»Hör mal, ich will dich ja nicht beleidigen, aber hast du ein Problem damit, dass Sienna und ich so eng befreundet sind? Denn wenn ich ehrlich bin, Chloe hat es was ausgemacht. Aber sie weiß jetzt … Sie weiß,
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